Mareike hat Ende April an der Universität Münster ein Seminar zum Thema „Jobs für Nachhaltigkeit, Ethik und Philanthropie“ gegeben. Der Kurs wurde im Rahmen des Career Services angeboten, und bietet die Grundlage für diese Beitragsreihe: In Teil 1 geht es um den Bereich „Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur“, in Teil 2 geht es um den Beruf der*s Ethik-Beauftragte*n, in Teil 3 geht es um den Bereich des professionellen Aktivismus und in Teil 4 um das Arbeitsfeld Corporate Social Responsibility.

Was bedeutet Nachhaltigkeit, insbesondere für den Kultursektor?
Die Begriffsverwendung ist uneinheitlich, und uns ist unklar, ob sie jeweils bewusst erfolgt. Typischerweise streben Kultureinrichtungen, insbesondere die Institutionen zum Erhalt des kulturellen Erbes, nach Nachhaltigkeit im Sinne von Langfristigkeit: Programme und Sammlungskonzepte werden so gestaltet, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg relevant (oder intakt) bleiben und für mehr als eine Generation zugänglich sind. Auch Bildungsprogramme werden so entwickelt, dass sie einen langfristigen Nutzen für die Teilnehmer:innen haben, sei es für die Veränderungen im Denken und Handeln oder die Qualifizierung für einen Job.

In den letzten Jahren wird nicht nur im Kultursektor Nachhaltigkeit verstärkt als Sustainability verstanden: kulturelle Aktivitäten und Projekte sollen finanziell stabil, umweltfreundlich und sozial gerecht sein, z.B. hinsichtlich der Nutzung von Ressourcen und der Schaffung inklusiver und diskriminierungsfreier Arbeits- und Veranstaltungsumgebungen.

Weil Sustainability oft innerhalb der aktuellen Grenzen des Systems gedacht wird – umgangssprachlich könnten wir sagen, bei der Sustainability belasten wir das System nicht mit mehr, als es ertragen kann – fehlt eine weitere, offene Perspektive, die ernst nimmt, dass ein System, das etwas erträgt, sich von dieser Zumutung auch wieder erholen können soll – also regenerationsfähig sein muss. Für kulturelle Projekte kann dies bedeuten, dass lokale Traditionen oder Ressourcen gestärkt werden, statt sie zu erschöpfen, dass künstlerische Praktiken revitalisiert werden, um sie für künftige Generationen lebendig zu halten, oder dass die Entnahme des Arbeitsmaterials für kulturelle Projekte nicht nur auf Umweltfreundlichkeit achtet, sondern darüber hinausgeht und Umwelt stärkt.

Wie das konkret aussehen kann, zeigt der oekom Verlag in München. Der Verlag hat sich gleich in mehrfacher Hinsicht spezialisiert und positioniert:

  • Im Verlagsprogramm findet man eine große Auswahl nachhaltigsbezogener Themen, darunter z.B. Umweltschutz, nachhaltige Stadtentwicklung, Inklusion, gewaltfreier Protest und Widerstand sowie Klimagerechtigkeit.
  • Auch der Herstellungsprozess des Verlags weist einige Besonderheiten auf; es wird mit Recyclingpapier und mineralölfreier Farbe gedruckt, es gibt keine Plastikverpackungen, zudem läuft das Büro mit Ökostrom.
  • Der Verlag ist u.a. Mitglied des Klima-Bündnisses und der Arbeitsgruppe FSC Deutschland e.V. („Wälder für immer für alle“).

Checklist: Was bedeutet Nachhaltigkeit in Bezug auf Verlagsarbeit?

  1. Ökologische Nachhaltigkeit: ökologischen Fußabdruck reduzieren, Nutzung von Recyclingpapier, Förderung digitaler Publikationen, Implementierung von energieeffizienten Produktions- und Vertriebsprozessen
  2. Soziale Verantwortung: faire Arbeitsbedingungen (auch für Volos! 😊), Förderung von Vielfalt und Inklusion, Einhaltung ethischer Standards in der Zusammenarbeit mit Autor*innen, Lieferanten, Vertriebspartner*innen
  3. Kulturelle Nachhaltigkeit: Förderung von kultureller Vielfalt, Erhalt des kulturellen Erbes, Unterstützung lokaler Autor*innen und Künstler*innen, Zusammenarbeit mit regionalen Buchhandlungen & kultureller Einrichtungen, Teilnahme an lokalen Veranstaltungen
  4. Transparenz und Kommunikation: transparente Kommunikation über das eigene Nachhaltigkeitsbemühen, d.h. Informieren der Leser*innenschaft über Ziele, Fortschritte, Herausforderungen
  5. Nachhaltige Produktgestaltung: Auswahl von Themen (Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung etc.), Integration nachhaltiger Gestaltungs- und Produktionspraktiken bei der Herstellung

Neben der Verlagsarbeit können Geisteswissenschaftler*innen auch in den üblichen Kultureinrichtungen (Museen, Galerien etc.), Beratungsorganisationen sowie Bildungseinrichtungen Stellen mit Nachhaltigkeitsbezug finden. Zusätzlich zum studienspezifischen Fachwissen werden Kompetenzen wie die Fähigkeit zur effizienten Kommunikation und zum interdisziplinären und analytischen Denken erwartet. Hinzu kommt, dass, je nach Arbeitgeber*in und Position, auch ein besonderes ethisches Verständnis und soziales Engagement wertgeschätzt werden. Die Stellen für Quereinsteiger*innen sind leider sehr überschaubar, da oftmals konkrete Abschlüsse vorausgesetzt werden.

Falls Ihr Euch aber ohnehin mit der Frage plagt, ob es sinnvoll ist, das geisteswissenschaftliche Studium fortzuführen oder in einen Studiengang zu wechseln, der Nachhaltigkeit schon im Namen trägt und praxisorientierter ist, schaut Euch diese Beispiele an und sucht auf der Grundlage in Eurer Region weiter. Bitte beachtet, dass nicht nur Universitäten in Frage kommen, sondern auch andere Hochschularten.

Wir hoffen, Euch einen guten ersten Einblick in verschiedene Aspekte von Nachhaltigkeit in der geisteswissenschaftlichen Berufspraxis gegeben zu haben. Das Beispiel aus dem oekom-Verlag verdeutlicht, dass Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen in der kulturellen Arbeit integriert werden kann – Ihr könnt daraus eigene Schwerpunkte wählen und diese zur Vertiefung sowie zur beruflichen Profilierung nutzen.

Mittwoch, 26.6.2024, 16:30-18 Uhr
Irgendwas mit Sinn: Jobs und Profilierung in Nachhaltigkeit, Philanthropie und Ethik

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