Buchtipp: Mit Freude lehren

Mit der Lehre ist es für viele ein Spagat. Auf der einen Seite lehren viele Kolleg*innen sehr gern, empfinden die Resonanz der Studierenden als fachliche und persönliche Bereicherung und die Lehr-Lern-Beziehung als eine der besseren im akademischen Kontext. Die Motivation zur akademischen Laufbahn speist sich oft aus Forschung und Lehre. Auf der anderen Seite erklingen – vielleicht mitunter habituell – die Klagen von Überlastung, Full-Service-Erwartungen der Studierenden und Nichtberücksichtigung der Lehrleistung in Auswahlverfahren. Insofern ist der Titel von Andrea Kleins Buch schon verheißungsvoll, sowohl für diejenigen, die hoffen, Lehre möge eines Tages wenigstens leichter werden, als auch für diejenigen, die in ihrer als positiv erfahrenen Lehrprofessionalisierung weiter reifen möchten.

Andrea Klein: Mit Freude lehren. Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt, Opladen&Toronto: Barbara Budrich 2022, 9783825257446, 143 Seiten, 14,90€

Das Buch enthält vier Kapitel. Im ersten Kapitel legt die Autorin ihre Perspektive auf den Gegenstandsbereich dar, klärt ihre Kriterien für „gute Lehre“ ebenso wie ihr Verständnis des Zusammenhangs zwischen Lehre und Freude. Das zweite Kapitel gibt eine Einführung in das Coaching (allgemein und in Hochschulen). Der Beantwortung des Untertitels – Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt – ist Kapitel drei anhand dreier Binnenfragen gewidmet: Welchen Nutzen stiftet eine coachende Haltung, welche Elemente gehören ihr zu und wie können sie erlangt werden? Schließlich gibt Kapitel vier eine Handreichung für eine Umsetzung der coachenden Haltung in der Lehre. Andrea Klein achtet auf eine klare Begrenzung der Möglichkeiten der coachenden Haltung, die neben die Fachlehre treten möge und sie nicht ersetzen soll. Sie balanciert sorgfältig die Ermutigung der Lehrenden, sich auf eine coachende Haltung einzulassen oder sie in passenden Lehrsituationen ins Leben zu rufen, mit den professionellen Beschränkungen aus, die Lehrenden bewusst sein sollten, die eben nicht als Coaches ausgebildet sind.

In die Mitte des Buches fügte Klein zehn Thesen zum „pädagogischen Doppeldecker“ nach Karlheinz A. Geißler (1985) ein; „pädagogische Doppeldecker“ sind Lernimpulse, bei denen z.B. Methoden sowohl in ihrer Anwendung gelehrt, beobachtet und reflektiert als auch unmittelbar angewandt werden. Das gesamte Buch ist solch ein Doppeldecker. Andrea Klein schreibt aus einer coachenden Haltung heraus, nimmt das Wissen um die Aufmerksamkeitsspanne der Lesenden ernst und schafft es mit asynchronem Zwiegespräch, Reflexionsanreizen, Interviews sowie Vor- und Rückgriffen, die eigene Lernerfahrung beim Lesen bewusst zu halten. Ein Meta-Titel dieses Buches könnte also auch sein: mit Freude lesen.

Sprachlich lebhaft, professionell in der Ansprache und natürlich in der Einbindung von Referenzen und Lektüreempfehlungen in den Lesefluss gelingt es der Autorin, die Aufmerksamkeit zu halten; mitnichten ist es bei Fachbüchern selbstverständlich, dies der Lesekondition der Rezipient*innen zu überlassen. Bereits dafür bin ich sehr dankbar. Die Erläuterungen, Beispiele und Anleitungen, in welchen Situationen eine coachende Haltung in der Lehre Lernprozesse bereichern sowie stockende Lehr-Lern-Beziehungen und Erkenntnisprozesse revitalisieren kann, sind sowohl zum Beginn der eigenen Lehrbiografie als auch zur Qualitätsveränderung und Selbstreflexion erfahrener Lehrkräfte ein großer Gewinn.

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