Dies ist eine Vorschau aus: Mareike Menne u.a.: Brotgelehrte 3. Erscheint Sommer 2023. Jetzt schon freuen! 🙂
Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in (Bibliothek) / Fachreferent*in (Bibliothek) / Informationsmanager*in / Dokumentenmanager*in / Datenkurator*in
Nah dran, aber anders: Bibliothekar*in an nicht-wissenschaftlichen Bibliotheken, Informations- und Wissensmanagement, Forschungsberatung, Datenanalyst*in
Die Chancen in diesem spezialisierten Berufsfeld haben in den letzten Jahren Schwankungen unterlegen. Während der Bologna-Reform mussten wir erstmals den Studierenden affinen Berufsfelder kommunizieren. Damals haben wir die Tätigkeit als Bibliothekarin oder Fachreferentin in wissenschaftlichen Bibliotheken als geeigneten Karriereweg für Absolventinnen dargestellt. In den späten 2010er Jahren jedoch konzentrierten sich wissenschaftliche Bibliotheken eher auf Absolventinnen bibliothekswissenschaftlicher Studiengänge. Nur selten wurden Stellenausschreibungen veröffentlicht, die einen geisteswissenschaftlichen Abschluss als ausreichend ansahen. Nun zeichnet sich im Bibliothekswesen insbesondere in leitenden Positionen ein erheblicher Personalmangel ab. Da wissenschaftliche Bibliothekarinnen und Fachreferentinnen oft Personal- und fachliche Verantwortung tragen, werden unsere Absolventinnen wieder verstärkt angesprochen. Der aktuelle Stand ist also folgender: Wissenschaftliche Bibliotheken bieten Geisteswissenschaftlerinnen affine Arbeitsmöglichkeiten. Zu den wissenschaftlichen Bibliotheken gehören Hochschul- und Forschungsbibliotheken, Archiv- und Museumsbibliotheken sowie Bibliotheken, die wissenschaftliche Einrichtungen unterstützen, wie beispielsweise Landesbibliotheken und einige öffentliche Bibliotheken, darunter auch Parlaments- und Regierungsbibliotheken. Neben diesen meist öffentlich geführten Einrichtungen gibt es auch Beschäftigungsmöglichkeiten mit wissenschaftlichem Schwerpunkt oder Anteilen in Bibliotheken von Kirchen (bzw. Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft) und von Unternehmen, insbesondere in Bereichen wie Beratung, Pharmazie und Energie, die Forschung betreiben. Ausschreibungen werden v.a. hier platziert:
Diese Aufzählung lässt bereits erkennen, dass die Arbeit in Bibliotheken in der Regel in Anstellungsverhältnissen stattfindet. Es gibt jedoch auch selbstständige Tätigkeiten von freiberuflichen Bibliothekarinnen, die Sammlungsentwicklung und -management sowie Schulungen für Nutzerinnen anbieten, manchmal auch in Kombination mit archivwissenschaftlichen oder forschungsbezogenen Dienstleistungen. Viele Informationsdienstleister*innen arbeiten ebenfalls projektweise für Bibliotheken oder in Zusammenarbeit mit ihnen.
Beispiel
- Naomi House, Gründerin von „INALJ“ (I Need a Library Job)
Aus diesem Tätigkeitsportfolio wird deutlich, dass eine Spezialisierung im Bereich wissenschaftlicher Bibliotheken möglich ist. Die erste und einfachste Spezialisierung ergibt sich aus den Studienfächern selbst, beispielsweise die Leitung eines Fachreferats für Philosophie und/oder Geschichte. Darüber hinaus ist auch eine Spezialisierung in Bereichen wie Bestandserhaltung, Wissensmanagement, Forschungsunterstützung oder Schulung, Beratung und Publikationswesen möglich. Letztendlich gibt es auch die Option einer bibliothekswissenschaftlichen Spezialisierung, die in der Regel nicht von Geisteswissenschaftler*innen mitgebracht wird, aber während der beruflichen Praxis erworben werden kann.
Andere Wege als geisteswissenschaftliche Studiengänge können zu wissenschaftlichen Tätigkeiten in Bibliotheken führen, und die bereits erwähnte Bibliothekswissenschaft gehört dazu. Ein Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaft ist beispielsweise an der Humboldt-Universität Berlin, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) und der Hochschule Darmstadt möglich. Darüber hinaus kann eine Ausbildung zum/zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste mit der Fachrichtung Bibliothek als Alternative dienen, obwohl der wissenschaftliche Charakter der Tätigkeit während der Ausbildung eher in den Hintergrund tritt.
Die Tätigkeit wissenschaftlicher Bibliothekar*innen umfasst eine Vielzahl von Aufgaben und Verantwortlichkeiten: Sie sind für die Erschließung, Erhaltung und Vermittlung wissenschaftlicher Medien zuständig. Dazu gehören der Bestandsaufbau, die Bestandserhaltung und die Profilierung der Bibliothek, die Entwicklung und das Management von (Buch-/Medien-)Sammlungen sowie die Erschließung von Publikationen und anderen Objekten. Dies beinhaltet auch die Katalogisierung der Medien, um eine effiziente Suche und Zugänglichkeit zu gewährleisten.
Je nach Zuschnitt des Stellenprofils können auch die Erarbeitung von Informationskonzepten und die Informationsvermittlung wesentliche Tätigkeiten sein. Wissenschaftliche Bibliothekar*innen unterstützen bei der Suche nach relevanten Informationen und helfen bei der Nutzung von Informationsressourcen. Sie bieten Schulungen und Weiterbildungen an, um Nutzer bei der effektiven Nutzung von Bibliotheksressourcen und Informationsquellen zu unterstützen. Sie bieten auch Forschungsunterstützung an, indem sie bei der Recherche, Veröffentlichung und Bewertung von Informationen helfen.
Verwaltungsaufgaben gehören ebenfalls zum Profil. Dies umfasst organisatorische und administrative Aufgaben wie Budgetplanung, Personalmanagement und die Entwicklung von Bibliotheksrichtlinien. Im Bibliotheksmanagement sind sie für die strategische Planung, die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und die Förderung der Bibliotheksdienstleistungen zuständig.
Letztlich übernehmen sie Aufgaben bei der Digitalisierung von Bibliotheksbeständen und von Arbeitsabläufen in Bibliotheken. Sie koordinieren die Konversion physischer Medien in digitale Formate, um den Zugriff und die Verbreitung zu erleichtern und arbeiten an Digitalisierungsstrategien der eigenen und kooperierender Bibliotheken mit.
Ebenso wie in allen anderen Arbeitsfeldern rund ums Buch hat die Digitalisierung auch die Arbeit in wissenschaftlichen Bibliotheken erheblich verändert. Dies betrifft nicht nur die Umwandlung der Bestände in elektronische Ressourcen und deren Veröffentlichung einschließlich des Managements der Fernnutzung, sondern grundsätzlich die Art und Weise, wie Informationen gesammelt, organisiert, erschlossen und bereitgestellt werden. Die Veröffentlichung elektronischer Ressourcen ist mit urheberrechtlichen und Lizenzfragen verbunden, in die Bibliothekar*innen sich einarbeiten müssen. Der deutlich gewachsene Informationspool fordert von Bibliothekar*innen, effektive Such- und Wissensverwaltungsstrategien zu entwickeln, um den eigenen Aufgaben ebenso wie den wissenschaftsstützenden Anteilen gerecht bleiben zu können. Mit der Zunahme von Forschungsdaten müssen auch Erschließung, Verwaltung und Analyse mitgehen – Forschungsdatenmanagement und deren Planung kann einen zukunftsgerichteten Schwerpunkt bzw. eine Spezialisierung darstellen, ebenso die Sicherung und Archivierung der Daten in immer neuen und sich fortentwickelnden Formaten. Dies kann teils schon KI-gestützt oder -gesteuert erfolgen, etwa zur automatischen Indexierung und Klassifizierung von Inhalten und Medien oder zur Analyse umfangreicher Datensätze. Daraus folgt ein höherer und permanenter Schulungs- und Vermittlungsbedarf auf Seiten der Nutzer*innen. Auch diesem kann KI-unterstützt begegnet werden, etwa mithilfe KI-gesteuerter virtueller Assistenzen und Chatbots.
Dazu werden z.B. folgende Systeme eingesetzt:
- Bibliotheksmanagement z.B. Aleph oder Sisis, OCLC WorldCat.
- Digitale Archivierung, etwa DSpace, Fedora, Omeka.
Kompetenzen und Kenntnisse
Als Geisteswissenschaftler*innen, die in wissenschaftlichen Bibliotheken arbeiten wollen, bringen wir aus dem Studium bereits unsere Fachkompetenzen mit: fundiertes Wissen in den Disziplinen, die wir studiert haben, einschließlich der Fachterminologie, der Publikationskonventionen und der Erfahrung der üblichen wissenschaftlichen Praktiken, die mithilfe bibliothekarischer Angebote unterstützt werden. Auch haben wir in der Regel bereits über mehrere Jahre unsere eigene Bibliotheksnutzung professionalisiert und somit Erfahrung in der systematischen Informationsrecherche und -verwaltung. Wir haben Suchstrategien entwickelt und können verschiedene Informationsquellen wie Bibliothekskataloge, Datenbanken, Online-Ressourcen und Archive nutzen – und die gesammelten Informationen kritisch würdigen. Damit haben wir schon eine ganze Menge.
Was je nach Studienverlauf und fachlichen Schwerpunkten unterschiedlich ausgeprägt sein kann, aber für die Tätigkeit in wissenschaftlichen Bibliotheken relevant ist, ist die Fähigkeit zur auch zur quantitativen Datenanalyse. Nicht alle hatten Studienangebote, die die systematische Nutzung von Datenbanken einschloss. Hier kann es sinnvoll sein, sich studienbegleitend weiterzubilden.
Auf die bibliothekarischen Tätigkeiten im engeren Sinne, also z.B. Bestandserhaltung, digitale Archivierung und Bibliotheksmanagement bereiten geisteswissenschaftliche Studiengänge in der Regel nicht vor. Das ist bei Bewerbungen auf Einstiegsstellen jedoch den aufnehmenden Institutionen meist klar und muss in den ersten Monaten der beruflichen Tätigkeit angereichert werden. Hier kann Selbststudium schon vorbereiten; falls die eigene Hochschulbibliothek keine Kurse anbietet, lohnt ein Blick in folgende Online-Programme:
- Freie Universität Berlin: Bibliotheksweiterbildung
- Bundesverband Information Bibliothek e.V.: Fortbildung
- Kompetenzzentrum Bestandserhaltung
- Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung
- Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz): Digitalisierung, Open Access und Langzeitarchivierung
- Harvard Library Learning Portal: Informationskompetenz, Bibliotheksmanagement und digitale Bibliotheken.
- Coursera: digitale Bibliotheken, Forschungsdatenmanagement, Informationskompetenz
- edX: Archivierung, Informationskompetenz, digitale Bibliotheken und Forschungsdatenmanagement.
- Library Juice Academy: Katalogisierung, Sammlungsmanagement, Informationstechnologie.
- ALA Online Learning: Grundlagen der Bibliothekspraxis, Bibliothekstechnologie, Informationsethik.
Der Verband Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare und der Bundesverband Information Bibliothek e.V. fassen auf der Website library-training.de Angebote für die Weiterbildung und Zertifizierung von Bibliothekar*innen an. In Nordrein-Westfalen gibt es z.B. beim Stand der Recherche 18 Angebote, darunter u.a. einen “Zertifikatskurs E-Learning für Bibliotheken” und “Digitalstrategien für Bibliotheken” (Stand: 12.05.2023).
Auch die Netzwerke halten Informationen und Weiterbildungsangebote bereit:
- Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare
- Association for Information Science and Technology (ASIS&T)
- Berufsverband Information Bibliothek e.V. (BIB)
- Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen e.V. (DGI)
- Deutscher Bibliotheksverband e.V.
- Hochschulverband Informationswissenschaft
Einstieg aus den Geisteswissenschaften
Geisteswissenschaftler*innen haben verschiedene Möglichkeiten, nach dem Studium in wissenschaftlichen Bibliotheken zu arbeiten:
Sie können ganz klassisch über das Praktikum und/oder eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft in einer wissenschaftlichen Bibliothek erste einschlägige Berufserfahrung sammeln. So können sie auch erfahren, ob und wann in der „eigenen“ Bibliothek Positionen freiwerden oder Mitarbeitende für Projekte gesucht werden. Der Einstieg erfolgt dann fließend aus der bestehenden vorprofessionellen Tätigkeit heraus. Sollte es im eigenen Haus keine Anschlussmöglichkeit geben, gelten Praktikum und studentische Tätigkeit als erste Berufserfahrung, die bei üblichen Bewerbungen auf Einstiegsstellen angegeben werden können.
Einen Wettbewerbsvorteil haben sie, wenn sie sich in den Bereichen Bibliotheksmanagement oder Bibliothekswissenschaft weiterbilden, nicht nur mit dem Master, auch mit Zertifikatskursen.
Wie stets ist auch hier die Kraft der Netzwerke nicht zu unterschätzen. Bereits als Studierende können sich Geisteswissenschaftler*innen in bibliothekarischen Fachverbänden und Netzwerken engagieren. Dort erfahren sie nicht nur aktuelle Entwicklungen und Trends in der Bibliothekswelt und können sich strategisch darauf einstellen. Sie können über die Kontakte zu Fachleuten in den Bibliotheken zudem potenzielle Karrieremöglichkeiten erkunden und um Informationen und Empfehlungen bitten. Aber auch das ehrenamtliche Engagement in den Bibliotheken am Studien- oder Heimatort kann Früchte tragen. Sehr viele Bibliotheken haben Fördervereine, die ihre Arbeit unterstützen und begleiten. Auf diesem Wege können Geisteswissenschaftler*innen ihr Wissen erweitern, Referenzen sammeln und ein professionelles Netzwerk aufbauen, das beim Einstieg und Aufstieg unterstützt.
Mehr lesen & hören
Podcasts:
- Aus der Bibliothekswissenschaft, Bureau für Bibliothekswissenschaft
- The Library Pros von Chris DeCristofaro und Bob Johnson
- Circulating Ideas von Steve Thomas
- Librarians with Lives von Jo Wood
- Research Library Podcast, Universität Wien (Martin Gasteiner, Martin Forster)
- Open Science Radio
- Stimmen der Bibliothek
Literatur
- Ragnar Audunson et al. (Hg.): Libraries, Archives and Museums as Democratic Spaces in a Digital Age (Current Topics in Library and Information Practice), Berlin 2020.
- Martina Griesser-Stermscheg / Nora Sternfeld / Luisa Ziaja (Hg.): Sich mit Sammlungen anlegen: Gemeinsame Dinge und alternative Archive, Berlin 2020
- Michael Knoche: Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft, Göttingen 2017
- Hermann Rösch/ Jürgen Seefeldt/ Konrad Umlauf: Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland. Eine Einführung, 3. Auflage, Wiesbaden 2019.
Online-Ressourcen
https://www.vdb-online.org/kommissionen/qualifikation/berufsbild.php
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