Am 1. Juli habt Ihr bereits das Tool Value Proposition Canvas im Beitrag Wertschöpfung der Geisteswissenschaften – Teil 1 kennengelernt. Der heutige Beitrag ist der letzte unserer Kurzreihe und widmet sich dem dritten Segment: Gewinnbringer, die wir als Geisteswissenschaftler:innen für die Wünsche und Ziele unsere Zielgruppen identifizieren und anbieten können.

Customer ProfileWertangebotskarte
Gewinne und Ziele
Was betrachtet die Kundschaft als Gewinn? Welche Ziele möchte sie erreichen? Was bringt ihr Geld, Zeit, Ansehen, Reichweite, Mitarbeitende, Bildung…
Gewinnbringer
Wie schafft mein Angebot Gewinn für die Kundschaft? Wie unterstütze ich sie darin, ihre Ziele zu erreichen? Wie verhelfe ich ihr zu mehr Zeit, Geld, Ansehen, Reichweite, Mitarbeitende, Bildung…

In Workshops treffe ich hier häufig auf mentale Abwehr; Gewinnorientierung wird fälschlich mit Gewinnmaximierung gleichgesetzt und allein aus ökonomischer Perspektive gedacht. Letzteres wäre insofern tatsächlich eine gute Übung, um bei einer Orientierung in die „freie Wirtschaft“ ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie die eigene Arbeit zur Wertschöpfung beiträgt und somit das Gehalt samt Nebenkosten erwirtschaftet. Aber das ist hier nicht unser Thema.

Stattdessen lohnt es, das Wertangebot „Gewinnbringer“ in einem weiten Verständnis zu betrachten, das auch soziale, kulturelle und intellektuelle Gewinne umfasst. Welche Angebote können wir schaffen, die der Gesellschaft oder bestimmten Gruppen langfristig nutzen, um Verbesserungen zu erzielen, zu positiven Veränderungen beizutragen oder Ideen umzusetzen, die Frieden, Bildung, Wissen, Ansehen bewirken und fördern.

Beispiele

1. Aufstiegsqualifikationen: Wir können in Fortbildungen, Trainings, Coachings und Workshops für unterschiedliche Träger oder in der Personalentwicklung Programme entwickeln und durchführen, die es Organisationen ermöglichen, Mitarbeitende gezielt weiterzubilden. Diese Programme können in verschiedenen Organisationen, von Bildungsträgern bis hin zur Personalentwicklung, eingesetzt werden, um Mitarbeitende gezielt weiterzubilden. Sie können z.B. individuelle Karriereschritte vollziehen, die ihnen mehr Gestaltungsmöglichkeiten, Einkommen oder Selbstbestimmung geben. Durch solche Qualifikationen eröffnen wir nicht nur individuelle Karrieremöglichkeiten, sondern tragen auch zu einem positiven Kulturwandel in den Organisationen bei. Dieser Wandel könnte beispielsweise dazu führen, dass kulturelle, soziale und ethische Aspekte stärker in unternehmerische Entscheidungen integriert werden. So verbessert sich das Employer Branding, und Organisationen können ihr Potenzial besser ausschöpfen, indem sie ihre eigenen Mitarbeitenden fördern und weiterentwickeln.

Ein anderes Beispiel für typische Gewinnorientierung ist die Begabtenförderung. Geisteswissenschaftler:innen können Programme entwickeln o

2. Begabtenförderung: Ein weiteres Beispiel für gewinnorientierte Wertschöpfung ist die Begabtenförderung. Geisteswissenschaftler:innen können hier Programme entwickeln oder als spezialisierte Lehrkräfte oder Mentor:innen arbeiten, die begabte Schüler:innen fördern. Schulen mit Begabungsschwerpunkt oder Stiftungen mit dem Zweck der Begabtenförderung wären entsprechend potenzielle Arbeitgeberinnen. Hier besteht der Gewinn nicht nur in der individuellen Förderung, sondern auch in der langfristigen Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft.

3. Marketing und Kommunikation: Im Marketing zeigt sich die Gewinnorientierung deutlich. Es zielt klassischerweise darauf ab, neue Zielgruppen zu erreichen, Produkte erfolgreich einzuführen oder bestehende Produkte in einem neuen Licht zu präsentieren, sodass der Absatz gestärkt wird. Dafür werden Content und Contentstrategien gebraucht, die u.a. Geisteswissenschaftler:innen entwickeln können. Obwohl sich Gewinn- und Problemorientierung in diesem Bereich überschneiden können – etwa, wenn ein Produkt ein spezifisches Problem löst –, bleibt das Marketing selbst ein klarer Gewinnbringer.

4. Beratung und Coaching: In vielen Bereichen der Beratung und des Coachings stehen gewinnorientierte Themen im Vordergrund: sei es Karrierecoaching, Gründungsberatung, Führungskräfteentwicklung oder Think Tanks. Hier geht es darum, Werte zu schaffen, die über die Bewältigung alltäglicher Aufgaben hinausgehen und einen positiven, nachhaltigen Beitrag leisten.

Fazit: Gewinnorientierung als integraler Bestandteil der Wertschöpfung

Es mag eine ungewohnte Perspektive sein, die Wertschöpfung geisteswissenschaftlicher Arbeit gewinnbringend und nicht problemorientiert zu verstehen. Meiner Erfahrung nach ist dies insbesondere für Kolleg:innen der Fall, die nach einer ersten Berufstätigkeit im akademischen Kontext und dann einer Neuorientierung, möglicherweise aufgrund des WissZeitVG, in eine positive Selbsterzählung kommen müssen. Natürlich arbeiten wir in wissenschaftlichen Prozessen problemorientiert, und häufig gehört es zu unserem Habitus, bescheiden bis mit Defiziten kokettierend aufzutreten. Wenn dies dazu führt, dass irgendwann die Grenze zur fehlenden Selbst-Wertschätzung verschwimmt und kaum nch positive Selbstauskünfte für den Arbeitsmarkt möglich sind, ist es natürlich schwierig, zu definieren, welches gewinnorientierte Wertangebot man hat oder entwickeln kann. Leichter ist es schon, vorhandene Aufgaben pragmatisch zu erledigen – wie Sprachunterricht an staatlichen Schulen – oder problemorientiert in einem außerakademischen Kontext zu arbeiten, etwa im Bereich der sozialen Bildung und Integration.

Es lohnt sich mE für jede Bewerbung, darüber nachzudenken, welchen positiven, gewinnbringenden Unterschied die eigene Expertise und Arbeit im Zielkontext macht. Wir haben insbesondere mit unserer pädagogisch-didaktischen Expertise, ästhetischen und kreativen Perspektive das Potenzial, Gewinn in einem umfassenden Sinne zu bewirken, und das sollten wir aktiv nutzen und kommunizieren.

Wir können Konzepte entwickeln, um Produkte schöner, ethischer, nützlicher zu machen, und nicht nur Produkte, sondern auch Prozesse, Menschen, Gesellschaft, die Welt.

Wir können Menschen Impulse geben, sich zu bilden und weiterzuentwickeln, das Versprechen des Aufstiegs durch Bildung einzulösen, ihre Begabung angemessen zu nutzen und ihr Potenzial freizulegen.

Wir können auch einfach unterhalten, Freude und Vergnügen bereiten, spannende Zeiten mit Buch, Film und Games erleben, Interesse an fremden Städten, Kulturen und/oder Speisen wecken, Urlaube für Geist und Seele gestalten.

Und ja: Wir können auch Pathos. 😊

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