Auferkorte-Michaelis, Nicole/ Linde, Frank/ Bonnes, Maiken/ Haschke, Henning/ Hintze, Annette: Feedback für den Lehralltag. Lehren und Lernen im Dialog (Kompetent lehren, Band 15), Opladen/Toronto: Verlag Barbara Budrich/utb 2023,
ISBN: 9783825261313 (Print), 122 Seiten, 12,99 EUR

Ein Gastbeitrag von Alexander Braml, LOGOS Strategie – Beratung für Nachhaltigkeit und Sinnstiftung

Im Rahmen von Lehr- und Lernsituationen im Hochschulkontext müssen Ergebnisse sowie die Qualität von Seminaren und Veranstaltungen gesichert werden. Das geschieht überwiegend mittels einer meist sehr formalen und institutionalisierten Beurteilung auf der Basis von Evaluationen. Dabei steht jeweils die Frage nach der Zielerreichung im Mittelpunkt. Lernende werden vorwiegend im Rahmen von Prüfungsleistungen evaluiert. Konnten also Wissen und Inhalte erfolgreich verinnerlicht, Zusammenhänge verstanden, Transferleistungen erbracht oder gar Neues kreiert werden? Für die Lehrenden stellt sich die Frage, ob die seitens des Bildungsträgers und über Curricula vorgegebenen oder selbst gesteckten Lernziele ermöglicht und erreicht wurden und wie der Weg dorthin erfolgreich gemeistert wurde. Für beide Parteien, also die Lernenden und die Lehrenden, kommt es durch die Evaluation bestenfalls zu einem Erkenntnisgewinn, auch auf der Metaebene.

In der Publikation „Feedback für den Lehralltag. Lehren und Lernen im Dialog“ greifen Auferkorte-Michaelis et al. diese Themen für die Hochschullehre auf. Dabei konzentrieren sich die Autor:innen auf den Begriff sowie auf Methoden des Feedbacks. Feedback, auch schon das während einer Veranstaltung, wird dabei als „zielbezogene Information“ (Auferkorte-Michaelis et al., 8) definiert, die im Kontext einer engen Lehr-/Lernbeziehung sowie dialogisch zu verstehen ist. Der Umgang mit Feedback stellt infolgedessen eine Kompetenzfacette dar, die notwendig ist und die gestärkt werden soll, um die eigenen Fähigkeiten und Leistungen zu verbessern.

Inhaltlich ist das Buch in sieben Kapitel unterteilt: Nach der Einleitung (1) folgen die Kapitel Lehrende mit Studierenden im Dialog über Lehrveranstaltungen (2), Feedback auf Leistungen für den Lernerfolg nutzen (3), Studierende ins Gespräch bringen: Peer-Feedback gestalten (4), Kollegiales Feedback für die Lehrpraxis (5) sowie ein Abschlusskapitel (6). Dem schließen sich ein Anhang (7) mit Steckbriefen zu Methoden sowie das Literatur- und Quellenverzeichnis (8) an. Die gute und zur Kategorisierung hilfreiche Unterscheidung in summatives (retrospektives), formatives (laufendes) und Feed-In-Feedback (Bedarfs- und Erwartungsabgleich zu Beginn einer Veranstaltung) stellen die Autor:innen an den Beginn. Diese drei Formen werden anschließend ausführlich erklärt und mit Beispielen hinterlegt. Daraufhin folgen Hinweise wie das Feedbackverständnis bei den Studierenden gefördert werden kann, um Lernerfolge zu sichern. Die Beschreibung der beiden besonderen Situationen des Peer-Feedbacks (Rückmeldung zwischen den Studierenden selbst) sowie der kollegialen Beratung (die Lehrenden unter sich) schließen sich an. Methodisch werden alle Fachkapitel mit jeweils mehreren eingeschobenen und optisch abgesetzten Abschnitten angereichert, in denen „Praxis-Tipps“ vorgestellt und erläutert werden. Die Methodensteckbriefe im Anhang sind jeweils in die Rubriken „Beschreibung“, „Dauer“, „Material“ und „Durchführung“ unterteilt, so dass die Leserschaft einen guten Eindruck gewinnt wie die Methode angelegt ist und wie lange sie in etwa dauert. Eine optisch ansprechendere Form der Darstellung wäre hier jedoch sinnvoll und wünschenswert gewesen.

Die verfolgten Zwecke standardisierter (Ex-post-)Evaluationen in der Hochschullehre liegen in der Bemühung um Vereinheitlichung sowie dem Versuch der Objektivierung im Rahmen von Beurteilungsbögen. Die Autor:innen führen die standardisierte Evaluation daher als eine mögliche Feedbackmethode an. Diese würde jedoch u.a. gerade durch ihren überwiegenden Ex-post-Charakter in ihrer Wirkung oft ins Leere laufen und dem individuellen Charakter jeder Lehrveranstaltung vielfach nicht gerecht werden. Auch eine retrospektive, formale Evaluation kann entsprechend ausgestaltet und seitens des Lehrenden offen gehandhabt sowie dialogisch angelegt werden. In der Praxis wird das von Lehrenden vielfach auch bereits umgesetzt und gelebt.

Insofern der Evaluationsbegriff überwiegend durch den Feedbackbegriff substituiert werden soll, fehlt in den Ausführungen der Vollständigkeit halber ein kritischer bzw. einordnender Blick auf das Feedback. Dieses ist als Begriff und Methode nicht zuletzt durch einen rein ökonomisch-zweckorientierten und insofern oft missverstandenen Einsatz in Arbeitskontexten oder auch durch die Überbetonung in einer pseudowissenschaftlichen Achtsamkeitsbewegung in Teilen in Misskredit geraten. Wenn bereits in jedem dialogischen Element Feedback immanent und implizit enthalten ist, wie die Autor:innen eingangs ausführen, ist es letztendlich unverständlich, warum sie die Ausführungen in der Folge auf explizites Feedback und mögliche Methoden dazu beschränken.

Das Buch richtet sich meines Erachtens vorwiegend an Menschen, die noch eher wenig Erfahrung mit Feedback und Evaluation im Hochschul- und Seminarkontext haben. Die vielfältigen Feedback-Methoden, die in Kapitel 7 aufgeführt sind und als Methoden-Baukasten verstanden werden können,  haben sicherlich das Potential, auch erfahrenen Dozent:innen Ideen und Anregungen zu geben, wie sie Lehrevaluationen abwechslungsreich und gezielter gestalten können.

Die Intention der Autor:innen ist es, die Forderung des Nutzens fortlaufenden, dialogischen Feedbacks zu betonen und gleichzeitig der Situation und den Möglichkeiten der Abwechslung Rechnung zu tragen. Die vielen über Steckbriefe erklärten Methoden sind dabei in Teilen inhaltlich, methodisch und zeitlich jedoch äußerst aufwendig. Hier besteht die Gefahr, dass das Verhältnis zwischen Lerninhalt und Lernzielen sowie (zeitlichem) Rahmen und Aufwand der vielen Methoden ab einem gewissen Punkt nicht mehr ausgeglichen ist. Feedback um des Feedbacks willen verkommt zum bloßen Mittel und verliert den eigentlichen Zweck aus den Augen. Diesen Eindruck gilt es aber in Seminaren gerade zu vermeiden, damit die Motivation der Befragten nicht abnimmt und sie weiterhin aktiv am Feedback-Prozess mitwirken. Die Tatsache eines überfordernden Aspekts, die Studierenden im Zweifel in jeder einzelnen Lehrveranstaltung bei jeder/jedem Lehrenden und in jedem Semester nach (fortlaufendem) Feedback zu fragen, ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn man als Lehrende:r schon nicht hinter dem Konzept der standardisierten Evaluation und des damit verbundenen Feedbacks steht und bewusst Raum dafür gibt, sinkt erfahrungsgemäß die Bereitschaft der Studierenden zur aktiven und gewinnbringenden Teilnahme. Bereits bei dieser institutionalisierten Form benötigt es allerdings selbstbewusste Charaktere auf Seiten der Lehrenden, die sich den Rückmeldungen stellen und bei Bedarf die eigenen Methoden, Lernziele und Vorgehensweisen auch tatsächlich hinterfragen. Die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen und die Bestärkung der Dozent:innen seitens der Bildungsträger, sich explizit auch laufendes Feedback einzuholen, tun also Not. Gleichzeitig fordern auch die Autor:innen das, was mit dem Begriff der „Feedback-Literacy“ (Auferkorte-Michaelis et al., 9) bezeichnet wird: Es geht um eine positive Einstellung gegenüber Feedbackprozessen sowie um einen Kompetenzaufbau, Feedback gewinnbringend einzusetzen – sowohl auf Seiten der Lernenden, gerade aber auch auf Seiten der Lehrenden.

Dr. Alexander Braml studierte Betriebswirtschaftslehre (Berufsakademie), Literaturwissenschaften und Philosophie. Er promovierte in Wirtschaftsethik. Nach langjähriger Tätigkeit in einem Konzern machte er sich 2015 selbständig im Bereich Beratung und Seminargestaltung mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Sinnstiftung. Alexander Braml lehrt seit 2017 an Hochschule sowie verschiedenen Hochschulen Angewandter Wissenschaften und ist immer wieder glücklich über konstruktives Feedback seitens der Studierenden, um sich selbst und seine Lehrkonzepte zu hinterfragen und sich so als Lehrpersönlichkeit weiterentwickeln zu können.

Website: http://www.logos-strategie.de/

Dieser Beitrag erschien zuerst in der THESE 123. Ein Rezensionsexemplar wurde vom Verlag zur Verfügung gestellt.

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