Wenn man sich nur mit der Lieblingsliteratur befassen könnte und damit auch noch Geld verdiente– das wär’s, oder?
Die gute Nachricht lautet: Das geht, nämlich als Expert:in für bestimmte Literaturgenres.
Die bremsende Nachricht lautet: Es sind Nischen, die eine hohe Expertise, klare Positionierung und ggf. ein funktionierendes Geschäftsmodell erfordern.

Wir schauen in diesem Blogartikel auf die Praxis von Literaturgenre-Expert:innen, um zu klären, ob und wie sich darin attraktive berufliche Möglichkeiten für Geisteswissenschaftler:innen verbergen.

In den vergangenen Jahren konnten wir beobachten, dass skandinavische Krimis (Nordic Noir oder Scandi Noir) sehr beliebt waren; Mankells Wallander oder Larssons Millennium-Trilogie sind Euch bestimmt ein Begriff. In ihnen verschmelzen komplexes Plotting, sozialkritische Themen, psychologische Tiefe und ästhetische Landschafts- oder urbane Betrachtung. Damit bieten sie einen fruchtbaren Boden für multidisziplinäre Herangehensweisen und Analysen; neben den Literaturwissenschaften können sich die Skandinavistik, die Kulturgeschichte und europäische Ethnologie, die Soziologie und oft auch die Kunst- und Medienwissenschaften einbringen. Rund um Nordic Noir haben sich verschiedene Praktiken etabliert: vom klassischen Schreiben über die Adaption im Drehbuch, die Hörbuch-, Film- und Fernsehproduktion, Literaturkritik, Literaturfestivals, Kulturjournalismus, Forschung und Bildung, Online-Communities bis hin zu Kulturreisen und Tourismusprojekten – und schließlich auch zur Kulturvermittlung und zur Bewahrung des kulturellen Erbes. In all diesen Sparten nimmt der Themenbezug auf Nordic Noir seinerseits eine Nische ein.

In dieser Nische können wir allerdings erfolgreiche Expert:innen identifizieren, z.B.:

Aus diesen und anderen Beispielen können wir ableiten, wo Nordic-Noir-Expert:innen Arbeit finden – und dies auf andere Genre-Expertisen übertragen. Es fällt Euch vermutlich schnell auf, dass wir nicht über die Grenzen der Bundesrepublik hinausschauen müssen. Dann aber können wir vier Hauptbeschäftigungen recht gut erkennen:

1. Der akademische Arbeitsmarkt:
Forschung und Lehre an Hochschulen in den Literaturwissenschaften und / oder Skandinavistik, z.B. an der Universität zu Köln, der Universität Münster oder der Universität Kiel; natürlich an den skandinavischen Hochschulen sowie in Großbritannien und den USA.

2. Verlagswesen:
als Programmleitung, Lektor:in, Literaturagent:in, Übersetzer:in für Verlage, die auf Krimiliteratur und/oder skandinavische Literatur spezialisiert sind (z.B. Heyne Verlag, Piper Verlag, Bastei Lübbe Verlag und Rowohlt Verlag).

3. Kulturjournalismus:
Genre-Expert:innen arbeiten für das Feuilleton von Zeitungen oder für die Kulturredaktion von Radio und Fernsehen, wie etwa Tilman Spreckelsen, Hubert Winkels und Wiebke Porombka.

4. Selbstständigkeit:
Für Bildung, Forschung, Kultur, Verlagswesen und Medien üben viele Genre-Expert:innen ihre Tätigkeit freiberuflich aus. Die Drehbuchentwicklung ist ebenfalls eine Praxis, die häufig freiberuflich ausgeübt wird. Literaturveranstaltungen, Filmfestivals und Ausstellungsorte arbeiten mit Genre-Expert:innen für Projekte zusammen. Auch in Kulturjournalismus und Medien könnt Ihr als Genre-Expert:innen arbeiten, etwa als Kritiker:in oder Kulturjournalist:in.

Das geisteswissenschaftliche Studium, hier meist das der Philologien, kann als Grundausbildung verstanden werden. Darüber hinaus ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem gewählten Genre nötig, z.B.

  • Teilnahme an spezialisierten Workshops und Konferenzen,
  • eine aktive Rolle in Online-Communities und Foren zum gewählten Genre,
  • dies beides nutzen, um Netzwerke zu bilden, die dann gezielt erweitert werden um Autor:innen, Verleger:innen und andere Expert:innen,
  • eigene Publikationen zum Thema, etwa ein Blog, Podcast, Artikel, Rezensionen, Bücher, Qualifikationsschriften, Drehbücher.

Für die Selbstständigkeiten sollte zudem ein tragfähiges Geschäftskonzept und ein gutes Verständnis für die Wertschöpfung der Tätigkeit vorhanden sein.

Genres sind ideale Spezialisierungsfelder, die Interesse und Broterwerb verbinden können. Ja, die Entscheidung für ein Genre ist die Entscheidung gegen vieles andere, der Markt wird eng und nischig, und recht sicher finden wir keine Ausschreibungen auf Jobportalen nach genau diesem individuellem Profil, gern auch mit Teilzeitoption, überdurchschnittlichem Gehalt am bevorzugten Wohnort. Hier gilt es, berufliches Profil und Einsatzmöglichkeiten selbst zu entwickeln, und möglicherweise auch Chancen im Ausland zu nutzen, wo kulturelles Entrepreneurship etablierter ist.

Neben Nordic Noir gibt es weitere Genres, die eine ideale Verbindung verschiedener geisteswissenschaftlicher Teildisziplinen, Anwendungsbezügen und intellektueller Komplexität aufweisen. Dark Academia ist im Kommen… 😊

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