In unseren Workshops kommt immer wieder die Frage auf: Soll man ein Volontariat machen? Muss man? Ist es wirklich so schlimm, wie alle sagen?

Meine Antwort darauf fällt inzwischen meistens klar aus: Ich rate von Volontariaten im Kulturbereich ab. Hier sind meine Gründe:

🚫 Volontariate lösen keine systemischen Probleme

Viele Kultureinrichtungen haben wenig Geld, aber viele Aufgaben. Das ist leider ein strukturelles Problem, das jedoch nicht auf den Schultern einzelner Personen in der Einstiegsphase lasten sollte. Volontariate, die oft schlecht bezahlt sind, lösen diese systemischen Defizite nicht – sie verlagern die Probleme nur auf Berufseinsteiger:innen.

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🚫 Geringe Bezahlung vs. tatsächlicher Mehrwert

Volontariate werden oft mit dem vermeintlichen Ausbildungs- und Netzwerkbenefit gerechtfertigt. In einigen Fällen kann dies stimmen; Organisationen wie die Jungen Verlags- und Medienmenschen e.V. vergeben etwa ein Gütesiegel für Volontariate im Publishing-Bereich, das eine hilfreiche Orientierung bietet. Doch gestern erreichte mich erneut eine Ausschreibung, in der weder Ausbildung noch Networking eine Rolle spielten. Stattdessen wurde faktisch eine Vollzeitkraft gesucht, die nur zur Hälfte bezahlt werden sollte: Es wurden einschlägige Vorerfahrungen und fortgeschrittene Kenntnisse erwartet, die Arbeitszeit betrug 39 Stunden, aber die Vergütung entsprach nur 20 Stunden. Meine Meinung: Wenn das Geld für eine volle Bezahlung fehlt, dann sollte lieber eine Teilzeitkraft eingestellt und der Arbeitsbereich entsprechend organisiert werden.

🚫 Der „Fuß-in-der-Tür“-Mythos

Ein Volontariat wird oft als Chance dargestellt, „einen Fuß in die Tür“ zu bekommen. Aber welche Tür genau soll das sein? Und wenn man mit einem Fuß in der Tür steht, damit diese nicht zuschlägt, ist man letztlich recht unbeweglich. Es gibt auch andere, vielleicht nicht immer einfache, aber dennoch gangbare Wege, in der Kulturbranche Erfahrungen zu sammeln: Projektarbeit, Elternzeitvertretungen, freie Mitarbeit oder befristete Stellen in anderen Bereichen wie Vertrieb oder Leitung. Diese Alternativen sind oft weniger prekär und ermöglichen es, in der Branche zu bleiben, ohne dabei Träume langsam verblassen zu sehen.

🚫 Anekdotische Evidenz: Es geht auch ohne Volontariat

Aus meinem Studium kenne ich viele Menschen, die heute in guten Positionen in Verlagen oder Museen arbeiten – und keiner von ihnen hat ein Volontariat absolviert. Stattdessen kamen sie über Projektarbeit, die Arbeit an Ausstellungskatalogen oder Kooperationen ins Team und wurden anschließend übernommen. Auf der anderen Seite kenne ich aus meiner Beratung einige Personen, die ein Volontariat gemacht haben. Nur eine von ihnen wurde danach in eine befristete Stelle übernommen. Natürlich ist diese Erfahrung subjektiv und nicht repräsentativ, aber sie zeigt, dass es auch ohne Volontariat geht.

Wann sind Volontariate eine Option?

Es gibt Ausnahmen, bei denen ein Volontariat sinnvoll sein kann:

  • Klare Ausbildungs- und Netzwerkvorteile: Volontariate, die explizit Ausbildung und Networking als zentrale Bestandteile definieren.
  • Realistische Übernahmechancen: Stellen, bei denen die Möglichkeit zur Übernahme besteht und die Anforderungen erfüllbar sind.
  • Fehlende Alternativen: Wenn die Alternativen schlechter sind, kann ein Volontariat eine Übergangslösung sein. Hier ist jedoch wichtig, kritisch zu prüfen, ob die Alternativen wirklich schlechter sind, und sich nicht auf vage Annahmen zu verlassen.

Mehr Infos zum Gütesiegel der Jungen Verlags- und Medienmenschen e.V. findest Du hier: Gütesiegel

Mehr Infos zum Volontariat im Museum findest Du hier: 2018-leitfaden-volontariat-web.pdf (museumsbund.de)

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