Kleines ABC von Auftraggeber*innen geisteswissenschaftlicher Freiberuflichkeit

Vielleicht habt Ihr beim Lesen des Kleinen ABCs von Angeboten geisteswissenschaftlicher Freiberufler*innen in der vergangenen Woche gedacht: „Gut und schön, Brotgelehrte, aber wer beauftragt uns denn?“ Berechtigte Frage. Denn ich habe selbst lange gerätselt, wenn mir Gründungscoaches mit erstaunlicher Leichtigkeit davon erzählten, sie kennten Beispiele für Unternehmen, die historische Unternehmenskommunikation einkauften, oder für andere Freiberuflerinnen, die ganz gut von philosophischer Beratung für Privatleute lebten. Meine ersten Versuche, in meinem Umfeld Unternehmen zu finden, für die ich mal eine Jubiläumsschrift begleiten könnte, oder Privatleute, die gern einen philosophischen Beratungsprozess hätten, waren nicht erfolgreich. Das lag nicht nur an mir, sondern auch an dem regionalen Umfeld, in dem ich mich befinde – erneut zeigt sich das eher urban geprägte berufliche Umfeld der geisteswissenschaftlichen beruflichen Praxis. Wo mehr Verlage, Bühnen und Galerien angesiedelt sind, gibt es auch mehr Bedarf an Dienstleistungen für Verlage, Bühnen und Galerien. Wo eine höhere Dichte kulturaffiner, vielleicht auch studierter Personen anzutreffen ist, gibt es eine stärkere Nachfrage nach Peer-to-Peer-Beratung.

Für alle, die – wie ich – ländlich leben, sei dies jedoch keine grundsätzliche Entmutigung. Virtuell geht inzwischen viel, wenngleich der Initialkontakt, der überhaupt zum Wissen um offene Aufträge führen kann, häufig weiterhin bei Netzwerkveranstaltungen in Präsenz entsteht. Also braucht es hier eine gezielte Teilnahme an Netzwerkevents der Zielbrache in den urbanen Zentren der Region; auch die Mitgliedschaft in bundesweiten Netzwerken kann sinnvoll sein, weil deren Treffen häufig virtuell organisiert sind, was die Teilnahme erleichtert. Auch gilt für den ländlichen Raum, dass die Vermittlung dessen, was wir „eigentlich tun“, wiederholt erfolgen muss, und zwar in einer Art, die Brücken baut – wir wollen ja schließlich beauftragt werden -, und nicht zuerst der Distinktion dient. Es gibt durchaus eine Skepsis gegenüber philosophischen Disziplinen, und deren mildere Art ist, sich nicht vorstellen zu können, wozu unsere Kompetenzen dienen. Solange diese Skepsis jedoch nicht ausgeräumt ist, diese Vorstellungskraft nicht genährt wird, haben potenzielle Auftraggeber*innen auch keine Vorstellung davon, uns zu beauftragen. Sie wissen einfach nicht, wozu und welche Wertschöpfung wir leisten. Also müssen wir unsere Produkte und Wertschöpfung in diesem Umfeld klarer benennen.

Gleichgültig, ob in der Stadt oder auf dem Land: Meiner Erfahrung nach ist es sinnvoll, dort zu beginnen, wo man steht. Wie auf dem Beitragsbild: Es hängen auch viele Äpfel unten am Baum, und die reichen oft sogar für einen guten Kuchen. Wenn Ihr keine Vorstellung davon habt, welches Unternehmen Euch womit beauftragen könnte, dann zerbrecht Euch zunächst nicht weiter den Kopf. Beobachte und agiere stattdessen zu Beginn vor allem im Umfeld: Als Museumsführer*in hörst Du, dass eine Sonderausstellung geplant ist, als Empfangskraft einer Galerie hörst Du, dass die Redakteurin der Kataloge jetzt zu einem großen Kunstverlag abgewandert ist, der Lehrbeauftragte arbeitet im Archiv, die Nachbarin aus einem nichtakademischen Haushalt muss zum erstem Mal eine wissenschaftliche Arbeit schreiben – signalisiere Dein Interesse an freier Mitarbeit und Honorartätigkeit. Aus diesen ersten, nahen Aufträgen heraus kann sich dann die Existenzgründung organisch entwickeln.

Nun zu den Auftraggebern – nicht ganz ein ABC, das war eine Locküberschrift. Zum Ausgleich für diesen billigen Trick aber 20 mehr, als das Alphabet Buchstaben hat.

  1. Archive, z.B. für die Durchführung von Projekten, Veranstaltungen der Archivpädagogik…
  2. Ausstellungsgesellschaften und Museumsberatungen, z.B. für die fachliche Begleitung und die Kuration von Sonderausstellungen. zur Abfederung von Auftragsspitzen
  3. außerschulische Lernorte (Science Center, Lernort Zivilcourage und Widerstand e.V.…), z.B. für die Konzeption und Begleitung von Lernveranstaltungen
  4. Autor*innen, z.B. für Textdienstleistungen und Beratung,
  5. Bildungseinrichtungen der Bistümer und Kirchen, z.B. für Dozenturen
  6. Beratungsstellen (Arbeitsagentur, soziale Beratung…), z.B. für Honorarberatung, Sprachkurse, Trainings…
  7. Bestattungshäuser, z.B. für Trauerreden
  8. Bibliotheken, z.B. zur Durchführung von Projekten wie Ausstellungen, Bibliothekspädagogik, Leseevents…
  9. Einrichtungen des Bundes und der Länder (z.B. die Bundeswehr), z.B. für Trainings und Schulungen
  10. Erbenermittlungen, z.B. zur Erbenermittlung und Nachlassrecherche
  11. Eventagenturen, z. B. zur Konzeption und Durchführung von Veranstaltungen
  12. Familienforschende, z.B. zur Archivrecherche, Begleitung in Archive, Transkription, Übersetzung
  13. Forschungsstellen, z.B. zur Erstellung und Begleitung wissenschaftlicher Publikationen
  14. Galerien, z.B. zur Durchführung von Projekten, Erstellung von Publikationen und Katalogen, Führungen
  15. Gedenkstätten, z.B. zur Konzeption und Durchführung pädagogischer Veranstaltung oder zur Kuration und Durchführung von Sonderveranstaltungen
  16. Hochschulen und Einrichtungen von Hochschulen (Career Services, Schreiblabore, Weiterbildung…), z.B. für Dozenturen, Vorträge, E-Learning-Autorschaft
  17. Kommunikationsagenturen, z.B. zur Contenterstellung
  18. Krankenkassen, z.B. für Rhetorikkurse, Kommunikationstraining
  19. Kulturämter, z.B. zur Konzeption und Begleitung von Kulturprojekten
  20. Kunsthandel, z.B. zur Provenienzforschung, Begutachtung, Katalogerstellung
  21. Marktforschungsinstitute, z.B. zur Durchführung von Verbraucherstudien
  22. Medienunternehmen, z.B. zur Contenterstellung (Text, Bild, Video), Redaktion, Moderation
  23. Mittlerorganisationen (Goethe-Institut, DAAD), z.B. Dozenturen
  24. Museen, z.B. zur Projektdurchführung, Katalogredaktion, Inventarisierung, Vortragstätigkeit, Museumspädagogische Angebote
  25. Nachhilfeinstitute, z.B. für Nachhilfeunterricht, Lernbegleitung, E-Learning-Autorschaft
  26. NGO, z.B. zur Projektdurchführung, wissenschaftliche Beratung, Trainings, Fundraising
  27. NPO, z.B. für Trainings, Weiterbildungen, wissenschaftliche Beratung
  28. Plattformen – das meint Plattformen zur Vermittlung von Projektarbeiten
  29. Presseagenturen – z.B. zur journalistischen Recherche, Contenterstellung, Redaktion
  30. Privatpersonen, z.B. für Coaching, Beratung, Textkorrekturen. Siehe auch Autor*innen, Privatsammler*innen und Familienforschende.
  31. Privatsammler*innen, z.B. zur Provenienzforschung, Wertermittlung/Begutachtung, Sammlungsorganisation
  32. Reiseveranstaltungen (Kulturreisen), z.B. Reisebegleitung
  33. Relocation Services, z.B. zur Abwicklung von Formalitäten, Organisation von Sprachkursen, Identifikation und Erschließung des geeigneten sozialen Umfelds
  34. Sprachschulen, z.B. für Sprachunterricht und Coaching
  35. Stiftungen, z.B. für Trainings, Projektarbeit, Veranstaltungsbegleitung
  36. Theater und Bühnen, z.B. für Regie (und –assistenz), Dramaturgie, Schauspiel,
  37. Unternehmen, z.B. für Coaching, Unternehmensberatung wie linguistische Unternehmensberatung, Kommunikationstrainings, Führungstrainings, historische Unternehmenskommunikation
  38. Verbände, z.B. für Trainings, Forschungsprojekte, Publikationserstellung und –betreuung, Vorträge,
  39. Vereine – wie bei den Verbänden
  40. Verlage, z.B. für ausgelagerte Tätigkeiten wie Lektorat, Korrektorat, Übersetzung
  41. Volkshochschulen, z.B. für Dozenturen
  42. Werbeagenturen, z.B. zur Contenterstellung (hier verläuft eine Grenze zur gewerblichen Tätigkeit)
  43. Wissenschaftler*innen, z.B. zur Auslagerung von Projekt-Teilaspekten: Lektorat, Fundraising, Coaching, Antragsvorbereitung
  44. Wissenschaftliche Dienste der Parlamente, Parteien, Fraktionen…, z.B. für wissenschaftliche Exposés
  45. Yogaschulen, z.B. für Yogaunterricht, philosophische Beratung, Vorträge
  46. Zeitungen/Zeitungsverlage, z.B. zur Contenterstellung, Text-Bild-Reportagen, Betreuung der Kanäle in den Sozialen Medien

Manches wusstet Ihr bestimmt schon. Dann könntet Ihr schauen, welche konkreten Akteure es in Eurem Einzugsgebiet gibt – also: Wie heißen denn die Medienunternehmen, die Kommunikationsagenturen, die Verlage am Ort?

Was wären gute Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme? Die gefürchtete Kaltakquise? Oder im Netzwerk rumfragen, wer einen Kontakt herstellen kann? Oder ein Praktikum absolvieren und signalisieren, als freie Mitarbeiterin zukünftig an Aufträgen interessiert zu sein? – Ihr seht schon, wir machen das nächste große Thema auf: Akquise.

Ein anderes Mal. Heute bleibt der Schritt, einen Überblick über potenzielle Auftraggeber*innen im Umfeld zu gewinnen. Viel Vergnügen und positive Überraschungen!

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