Digitales Kulturerbe Auf einen Blick

Nach welchen Begriffen solltet Ihr in Ausschreibungen suchen? − (Digitales) Sammlungsmanagement / Datenkurator*in / Mitarbeiter*in mit Schwerpunkt digitale Vermittlung, oft auch einfach nur: Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in (mit digitalem Tätigkeitsanteil) / Kurator*in.
Gibt es Stellen für Menschen mit BA-Abschluss? – Selten, eher im Bereich Vermittlung.
Gibt es Stellen für promovierte Menschen? – Ja.
Sind Formen selbstständiger Arbeit in diesem Tätigkeitsfeld üblich? – Ja.
Gibt es Stellen im öffentlichen Dienst? – Ja.
Welche regionalen Schwerpunkte gibt es? – Keine.
Arbeiten ausschließlich Kultur- und Geisteswissenschaftler*innen in diesem Tätigkeitsbereich? – Nein.
Ist ein Quereinstieg möglich? – Ja. 

Dies ist eine Vorschau auf Brotgelehrte 3. Lieferbar ab Ende September.


Die Erhaltung des kulturellen Erbes der Menschheit und dessen digitale Aufbereitung wie auch die Überlieferungssicherung digitaler Kulturäußerungen der Gegenwart stellt die zuständigen Institutionen noch immer vor große Herausforderungen, nicht zuletzt, da nicht immer eine optimale Aufbewahrung gewährleistet werden kann. Umso wichtiger ist die Übertragung von Sammlungsgut in digitale Medien notwendig, um auch späteren Generationen das überlieferte Kulturgut zugänglich machen zu können. Wie in vielen „digitalen“ Arbeitsmärkten für und von Geisteswissenschaftler*-innen sehen wir auch im digitalen Kulturerbe einen hohen Bedarf vonseiten der Institutionen und wenig systematische Antwort vonseiten der Hochschulen und Ausbildungen. Weiterhin ist zu beobachten, dass digitale Aspekte in der Arbeit mit dem Kulturerbe eher anteilig in Stellenausschreibungen einfließen oder auf Projektebene angesiedelt sind. Dies wiederum bedeutet, dass auch die bestehenden Stellenprofile, die oben mit gelistet sind, sich verändern und digitale Arbeitsanteile selbstverständlich in den Alltag einfließen. Es ist mitunter anhand der Überschrift von Ausschreibungen nicht immer zu erkennen, wie hoch der Anteil digitaler Arbeitsweisen ist bzw. inwieweit eine Abgrenzung des „Digitalen“ zu „klassischen“ Formen des Sammlungsmanagements und der Vermittlung vorliegt. Unser Eindruck ist, dass der Zusatz „digital“ aufgrund der zunehmenden Selbstverständlichkeit von „digitalen“ Tätigkeiten entfällt und somit die Berufsbilder im Kulturerbe insgesamt gewandelt sind.

Zu den Tätigkeiten im digitalen Kulturerbe gehören die Digitalisierung, Dokumentation und Langzeitarchivierung von Museen, Kulturdiensten und Kulturgut. Weiterhin arbeiten insbesondere die wissenschaftlich ausgerichteten Stellen und Dienstleister*innen an Strategien und Konzepten für digitale Sammlung und Vermittlung. Sie publizieren ihre Arbeitsergebnisse und die Reflexionen bzw. Evaluationen der Change-Prozesse, die digitale Praktiken einbinden bzw. übernehmen lassen. Hier scheint schon durch, dass Kenntnisse und Erfahrungen im Projektmanagement, vor allem auch koordinierende Tätigkeiten (aufgrund der einzubindenden Dienstleister) sehr hilfreich sind; sie werden auch in Ausschreibungen häufig gewünscht. Durchaus auf der Ebene von Sachbearbeitung oder BA-Abschluss-bezogen können Tätigkeiten rund um Sammlungsmanagementsysteme (Aufbau, Einrichtung, Betreuung) sein. Gleiches gilt für die Außendarstellung bzw. das Outreach der Arbeit mit dem digitalen Kulturerbe bzw. der Digitalisierung des Kulturerbes – private und öffentliche Museen, Gedenkstätten, Archive, Sammlungen, Bibliotheken schreiben auch Stellen in den Bereichen Kommunikation, Content Creation und Community Management aus.

Aus dem letzten Satz gehen schon die einschlägigen potenziellen Arbeit- und Auftraggeber*innen hervor. Die Verwaltungsebene, also Kulturämter und Regierungs- und parlamentarische Einrichtungen mit Kulturverantwortung (Kultusministerien etc.) sind hinzuzudenken. Da Spezialist*innenknappheit herrscht, arbeiten diese Organisationen häufig mit Dienstleistern zusammen, die ihrerseits einen Arbeitsmarkt darstellen. Es gibt Dienstleister für die überwiegend öffentlichen Einrichtungen, die mit Digitalisierungsanforderungen konfrontiert sind. Diese Dienstleister haben meist interdisziplinäre Teams, nicht allein und auch nicht vornehmlich Geisteswissenschaftler*innen. Ein Beispiel ist https://kulturerbe.digital.

Stellenausschreibungen findet Ihr hier:

Wenn wir die beruflichen Praktiken von Geisteswissenschaftler*innen im Arbeitsfeld Digitales Kulturerbe in den Blick nehmen, sehen wir wie stets Spezialisierungen, die vor allem für die Positionierung von Dienstleistungen wichtig sind, etwa nach Fachrichtungen (z.B. archäologische oder kunsthistorische Bearbeitung des digitalen Kulturerbes) oder nach Anwendungszusammenhang (etwa Denkmalschutz oder Vermittlung). Aber auch im öffentlichen Kontext gibt es Spezialisierungen auf bestimmte Themengebiete, Sachgruppen oder Regionen.

Der Einstieg aus den Geisteswissenschaften erfolgt in der Regel nach einem Masterabschluss und ersten Erfahrungen (= Praktikum, Nebenjob) im Arbeitsfeld Kulturerbe. Volontariate werden zwar weiterhin ausgeschrieben, sind jedoch aufgrund des Personalmangels und auch aufgrund der Kritik an der Nachhaltigkeit von Volontariaten derzeit nicht so dominant. Wichtiger sind eine gute Kombination aus fachlicher Kompetenz und Umsetzungserfahrungen und -bereitschaft, z.B. aus Praxis- und Projektseminaren, Abschlussarbeiten oder Nebenjobs. Nicht nur die Geisteswissenschaften führen in dieses Tätigkeitsfeld; auch ein Einstieg aus den Informations- oder Archivwissenschaften sowie aus der Denkmalpflege und Restauration oder natürlich aus dem VR-/AR-Design ist möglich.

Zum Einsatz kommen je nach Aufgabenbereich und fachlichem Schwerpunkt Webanwendungen und Spezialprogramme und -formate; bei stärker archäologisch ausgerichteten Tätigkeiten etwa die Server-Software ESRI ArcGIS. Unabhängig von der fachlichen Zuordnung lohnt eine Beschäftigung mit Systemen und Einsatzbeispielen von Virtual und Augmented Reality im Kulturerbe. Auch die Anwendung und Modellierung unterschiedlicher Datenformate im Kulturerbe-Bereich (CIDOC-CRM, LIDO, MARC21, EAD etc.) sowie Erfahrung mit Linked Open Data und im Sammlungsmanagement würden vermutlich freudige Reaktionen in Personalauswahlprozessen hervorrufen.

Darin möge mitgelesen werden, dass Kenntnisse und Erfahrungen mit diesen Instrumenten gerade für Einstiegsstellen nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden. Einstellende Organisationen kennen in der Regel den Zuschnitt von Studiengängen und können gut einschätzen, ob VR/AR Studiengegenstand gewesen sein mögen. Da es auch kein systematisches offenes Weiterbildungsangebot gibt, können eigene Projekte und autodidaktisches Lernen mit Arbeitsproben durchaus angemessene Anforderungsentgegnungen sein. Wir haben an Weiterbildungsangeboten gefunden:

Natürlich können auch Workshops und kollegialer Austausch in Netzwerken zur Professionalisierung beitragen:

Mehr hören und lesen:

Podcasts

Lektüre

  • Bender, Stephanie: Ethics for the Future. Perspectives from 21st Century Fiction. A compelling case for considering popular films and novels as sites of an ethics confronting the ecological catastrophe, digitalisation and biotechnology. Bielefeld 2023.
  • Czech, Hans-Jörg, Kareen Kümpel und Rita Müller: TRANSFORMATION. Strategien und Ideen zur Digitalisierung im Kulturbereich. Bielefeld 2021.
  • Corrado, Edward M. / Heather Moulaison Sandy (Hg.): Digital Preservation for Libraries, Archives, and Museums. Lanham 2017.
  • Degkwitz, Andreas (Hg.): Bibliothek der Zukunft – Zukunft der Bibliothek. Festschrift für Elmar Mittler. Berlin 2016.
  • Giannini, Tula / Jonathan P. Bowen (Hg.): Museums and Digital Culture: New Perspectives and Research. London 2019.
  • Häußler, Harriet: Die Schöpfer des Kunstmarkts. Von den Anfängen in der Antike bis zur Digitalisierung in der Gegenwart. Ein Übersichtswerk für alle Kunstinteressent*innen, die den Kunstmarkt von der Antike bis zur Gegenwart kennenlernen wollen. Bielefeld 2022.
  • Mohr, Henning und Diana Modarressi-Tehrani: Museen der Zukunft. Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements. Bielefeld 2021.
  • Myntti Jeremy / Jessalyn Zoom (Hg.): Digital Preservation in Libraries. Preparing for a Sustainable Future. Chicago 2019.
  • Oßwald, Achim: Bibliotheksentwicklung im Netzwerk von Menschen, Informationstechnologie und Nachhaltigkeit: Eine Festschrift für Achim Oßwald. Bad Honnef 2019.
  • Robertson-von Trotha, Caroline Y. / Ralf H. Schneider: Digitales Kulturerbe. Bewahrung und Zugänglichkeit in der wissenschaftlichen Praxis. Karlsruhe 2015.
  • Stackmann, Sophie: Integrität und kulturelles Erbe. Das Bedürfnis nach Unversehrtheit und Eindeutigkeit in den Denkmalwissenschaften. »Integrität« im Diskurs – kulturelles Erbe zwischen zwangsläufiger Fragmentarität und dem Bedürfnis nach Eindeutigkeit. Bielefeld 2022.

Online-Ressourcen

Referenzen


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Brotgelehrte erscheint Ende September und wird 16 Euro (D) kosten. Bis zum 30.9.2023 besteht die Möglichkeit, den Band mit 20% Subskriptionsrabatt vorzubestellen (12,80 Euro zzgl. Versandkosten als Büchersendung).

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