Der Radiosender WDR 2 widmet diese Woche dem Thema „Arbeit auf Zeit“. Auf der Internetseite finden Sie dazu weitere Informationen und Materialien, u.a. Podcasts. Bereits der Untertitel der Themenwoche verdeutlicht die Brisanz: Moderne Sklavenarbeit oder Chance? Ich habe heute den Beitrag eines Ingenieurs gehört, der als Zeitarbeiter nicht nur Tätigkeiten ausführen musste, die seiner Qualifikation entsprachen, sondern auch in Produktionsprozesse eingeführt wurde (das war etwas vornehm ausgedrückt. Es ging um Arbeit am Fließband). Link
Bei einer der größten Agenturen für Zeitarbeit (das trifft nicht die Selbstbeschreibung, korrekt muss es „Personaldienstleistungen“ heißen), Adecco, können Sie sich eine Statistik zur Verteilung der Akademiker in der Zeitarbeit anschauen. Tatsächlich gibt es für GeisteswissenschaftlerInnen die wenigsten Angebote, gesucht werden überwiegend Ingenieure. Adecco gibt auch die Auskunft, dass die Stellenausschreibungen, die Unternehmen erreichen, zuerst aus affinen Bereichen stammen (für ITler also aus IT-Firmen), anschließend aus der Hochschule und dem öffentlichen Sektor. Einen Überblick über Agenturen, die Zeitarbeit anbieten oder vermitteln, leistet die website agentur-zeitarbeit.de
Doch ist Zeitarbeit überhaupt ein Einstieg für GeisteswissenschaftlerInnen zu einer affinen Beschäftigung? Es ist relativ wenig Konkretes zu finden – vermutlich auch, da, wie stets, nur vergleichsweise wenig Ausschreibungen und wenig Erfahrungen vorliegen. Ein anderer Aspekt, den ich allerdings lediglich vermute, mag sein, dass Zeitarbeiter aus unseren Disziplinen nur ungern über ihre Tätigkeit sprechen – es ist ein Balanceakt zwischen Sicherung des Lebensunterhalts und Durchschauen der moralischen Fragwürdigkeit des zugrunde liegenden Systems. Marie-Luise Mähler stellte auf Berufebilder einen Erfahrungsbericht online. Zu verdeckten Strategien zur Anwerbung etwa von Frauen in Teilzeitarbeit oder von Menschen mit ausländischen Studienabschlüssen (die in Deutschland nicht anerkannt werden) einiger Zeitarbeitsfirmen informiert Simone Jansen. Auch auf spiegel online finden Sie einen Artikel, der Erfolge und Probleme von Geisteswissenschaftlern in Zeitarbeit darstellt, ebenso einen Beitrag von Miriam Hoffmeyer auf sueddeutsche.de.
Nicht nur für die Zeitarbeit, sondern grundsätzlich für die Stellensuche im Internet gibt es eine hilfreiche PDF-Datei des Hochschulteams der Agentur für Arbeit an der Universität Göttingen (leider Stand 2007, aber Sie finden dort die Schlagworte und können dann ggf. selbst nach den aktuellen Seiten suchen). Die Agenturen für Arbeit bieten unter unterschiedlichen ÜBerschriften (z. B. JOBTAG in Jena) Infoveranstaltungen zur Zeitarbeit für Akademiker an.
Ein – unverbindlicher – Blick in diesen Sektor scheint sich zu lohnen, denn spezialisierte, seriöse Personaldienstleister kennen sich mit Stellen für Geisteswissenschaftlerinnen in der Wirtschaft besser aus als die meisten Universitätsdozenten. Sie wissen, wonach man suchen kann, kennen Trends, sprechen die Sprache der Märkte. Auch können sie interessant sein, wenn über das Prinzip Zeitarbeit Arbeitgeber Stellen „zur Probe“ angeboten werden, die sonst womöglich gar nicht ausgeschrieben worden wären. Sie können an diesen Beispielen lernen, wo nach Stellen zu suchen ist und welche Anforderungen dort gelten. Auf der anderen Seite jedoch besteht die Gefahr, in nichtaffinen Tätigkeiten kleben zu bleiben und damit das soziale System, dem Sie mit Studienabschluss grundsätzlich angehören, dauerhaft zu verlassen – mit entsprechenden Konsequenzen für Aufstiegs- und Rückkehrchancen, Gehalt und Selbstwertgefühl.
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Liebe Frau Menne, Kennen Sie schon das neue Wissenschaftsportal der Henkel-Stiftung? Vielleicht ein guter Kontakt für Sie. Mareike König ist da verantwortlich. http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4287 Beste Grüße aus Berlin, Ina Roß