Ich habe mir ein neues Kartenset gekauft – ich liebe Kartensets. Dieses heißt: „Karrierekrise. Finden Sie Ihre wahre Berufung“, hrsg. von The School of Life. Natürlich habe ich dieses Set nicht für mich gekauft, sondern für Euch.

Auf meiner heutigen Karte steht: „In einer perfekten Welt wäre Karriereplanung ein Schulfach und fester Bestandteil des Lehrplans von der ersten bis zur letzten Klasse, der zunächst eine und im letzten Schuljahr sogar drei Unterrichtsstunden pro Woche umfassen sollte.“

Nun hätte in einer perfekten Welt die Schule natürlich für noch mehr ganz wichtige Dinge Zeit, für mehr Wirtschaft, für die Naturwissenschaften, für Alltagsbewältigung, für Glück, Ihr wisst schon… in der perfekten Welt ist die Schule eine Live-Wikipedia, die auf jeden Bedarf rasch reagieren kann. Aber die Welt ist nicht perfekt, die Schule hat nur begrenzte Ressourcen und auch eine andere Aufgabe als Karriereplanung. Außerdem könnten wir philosophischen Köpfe die Frage stellen, warum ausgerechnet „Karriereplanung“ sich zum Schulfach eignet, wenn überhaupt nur ein Bruchteil der Menschen Karriere machen will oder kann, und die Mehrheit bereits mit „Arbeit“ vollkommen bedient ist? Karriereplanung betrifft also nur einen relativ kleinen Teil der allgemeinen Lebensplanung, und mehr noch: Sehr oft passiert Karriere einfach, z.B. weil das Netzwerk Dich will, und muss gar nicht geplant werden. Aber kann Planung nicht doch sinnvoll sein? Aus unserer Erfahrung und Perspektive ja, wenn:

  • die Karriere aus einer benachteiligten, unterlegenen Position heraus starten soll, die u.a. ein kluges Ressourcenmanagement, eine Identitätsmetamorphose, die Bildung von sozialem Kapital erforderlich macht,
  • die allgemeinen Lebensanforderungen so komplex sind, dass in fast allen Lebensbereichen beständige Analyse und Planung erforderlich sind, um die Kontrolle über die eigenen Wege zu behalten,
  • „Karriere“ ein neues Konzept im Leben ist, das zunächst definitorisch gefasst werden muss, ehe es um konkrete Projektplanung geht,
  • Du ein Planungstyp bist, Listen und Flowcharts liebst und Planung Dir Sicherheit verleiht und Freude macht – wenn vielleicht sogar Deine generalistische Projektmanagementkompetenz mit Karriereplanung angesprochen ist und ausgelebt werden kann,
  • Karriereplanung eine berufliche Aufgabe ist/sein wird und insofern methodisches und fachliches Wissen auf diesem Gebiet erforderlich sind, z.B. als Lehrer*in, als Coach, im Personal- und Personalentwicklungsbereich.

Bestimmt lassen sich diese Punkte um viele weitere ergänzen. Die Qualität dieser Wenn‘s macht bereits deutlich, dass die Grundlagen für Karriereplanung so unterschiedlich sind, dass eine einheitliche Planungsanleitung wenig sinnvoll erscheint und – neben der professionellen Auswahl der passenden Planungsmethode und leitenden Fragestellungen – Karriereplanung natürlich immer eine individuelle Aufgabe im Abgleich mit übergreifenden Branchen- und Fachfragen ist. Auch das lässt Karriereplanung als Schulfach fraglich erscheinen, wäre doch auch hier eine Mentoring- oder Coachingbegleitung, vielleicht auch zielführende Beratung hilfreicher. (Ja, „Brotgelehrte“ bietet auch Coaching und Beratung zu diesem Feld, kontaktiere uns gern, falls Du mehr wissen möchtest.)

Nichtsdestotrotz zeigt sich aktuell, dass viele unterschiedliche Kompetenzen sowohl in der Berufseinstiegsplanung, zum Beispiel bei Bewerbungen, als auch in der Laufbahn und Karriereplanung erforderlich sind. Diese Kompetenzen müssen in aller Regel nebenberuflich bzw. neben Schule und Studium erworben werden. Und natürlich muss dafür Zeit eingeplant werden, sowohl zum Suchen und Besuchen von Veranstaltungen als auch zum Selbststudium. Weiterhin ist es erforderlich, dass passende Angebot bereitgestellt werden, also auch von Seiten der Bildungsinstitutionen Ressourcenplanung hinsichtlich der Berufseinstiegs und Karriereplanung betrieben wird. Die Angebote der Career Services der Hochschulen, der VHS, der Schulen sind sehr unterschiedlich, und es liegt nur wenig in unserer Macht, daran etwas zu ändern. Vielleicht können wir Bedürfnisse äußern und Anregungen geben.

Was kann das nun für Dich bedeuten?

1. Du kannst abwägen: Brauchst Du tatsächlich eine Planung Deiner beruflichen Praxis und Deiner „Karriere“? Oder bewegst Du Dich in einem Kontext, in dem es sinnvoller ist, sich auf konkrete Aufgaben und Netzwerkarbeit zu konzentrieren, und Karriere „passieren“ zu lassen? Ist „Karriere“ überhaupt ein erstrebenswertes Modell für Dich? Und wenn nicht: Welches Konzept von Lebensunterhalt passt am besten zu Dir?

2. Welcher Planungstyp bist Du? Gehörst du eher zu den linearen Planern, die ein festgelegtes Ziel und einen einigermaßen festgelegten Weg dorthin, einen „Königsweg“ wie in den konsekutiven Berufen des Öffentlichen Dienstes (z.B. Archivdienst, Lehramt), bevorzugen? Oder bietet die aktuelle Tendenz zu Agilität in verschiedenen Bereichen der beruflichen Praxis für dich die Möglichkeit zur typgerechten Planung? Dann stehen zwar zentrale Werte, vielleicht auch ein berufliches oder Lebensziel fest, aber der Weg dorthin darf sich an die immer veränderlichen Lebensbedingungen anpassen? Oder kannst du nicht planen, weil Dein Ziel noch gar nicht feststeht? Wenn du über diese Fragen und Kategorien nachdenkt, ist das eine gute Gelegenheit, mehr über dich selbst zu erfahren und auf diese Weise in den Entscheidungen sicherer zu werden, die für deinen Lebensweg wichtig sind.

3. Wenn dir einigermaßen klar ist, welcher Planungstyp du bist, dann ist es an der Zeit, sich mit Werkzeugen zu versehen, um bestmöglich planen zu können. Manchmal reichen die Kalender der nächsten fünf Jahre, Ausbildungsordnungen und etwas zu Schreiben. Für andere sind adaptierte Modelle aus dem Projektmanagement gut – Kanban oder Flowcharts etwa. Es kann ein entlastendes mentales Konstrukt sein, die Karriere oder berufliche Praxis nicht als die größte mit Sinn behaftete Aufgabe Deines Lebens zu begreifen, sondern als zeitlich begrenztes und gestaltbares Projekt.

4. Da Karriereplanung höchstwahrscheinlich nicht zu einem Schulfach werden wird, und selbst, wenn, Du die Schule bereits verlassen hast und nicht mehr davon profitieren wirst, bleibt Dir wohl nichts anderes übrig, als Karriereplanung selbst in die Hand zu nehmen. Tatsächlich kann es sinnvoll sein, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Elemente aktuell zur Karriereplanung gehören, um auswählen zu können, um welche Du Dich vorrangig kümmern willst: (online, Initiativ-)Bewerbung? Entscheidungsfindung? Lebenslauf, Rhetorik und Selbstbeschreibung? Studienplanung, Weiterbildung, Anpassungsqualifikation? Berufseinstieg mit Kind(ern) oder in Nebentätigkeit? Plan A und Plan B? Auswahlverfahren?
Für die Bearbeitung dieser und vieler weiterer Fragen sind teils sehr spezialisierte Kompetenz- und Wissensbündel erforderlich, die auch nur bedingt auf andere Lebensbereiche zu transferieren sind. Darum ist es sinnvoll, mit Blick auf das Ziel oder die nächsten Schritte auszuwählen, welche Elemente Du in Deinen Studienplan einbindest. Dies kann ein Workshoptag pro Semester sein, etwa, um Tools zur Online-Bewerbung oder zu Auswahlverfahren kennenzulernen. Das kann auch die regelmäßige Lektüre von Karriereblogs und Branchennews sein, etwa ein Newsletter-Abo vom Museumsbund oder Börsenverein oder was auch immer die Zielbranche ist. Ich habe mir angewöhnt, in Bibliotheken und im Buchhandel immer auch einen Schlenker an den Neuerscheinungen im „Beruf-und-Karriereregal“ vorbei zu machen. Finde Deine Form – die, die sich am besten, am geschmeidigsten, am einfachsten in deinen Alltag integrieren lässt und zum Karriereziel oder Lebensmodell am besten passt.

Viel Erfolg!

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