Im Dezember versprach ich, durch die Unterbranchen der Kulturwirtschaft zu gehen, nun also der Schritt hin zur Buchwirtschaft mit dem Schwerpunkt Kleinverlage. Lange überlegte ich daran herum, da es doch ein weites Feld ist und hinsichtlich der konkreten Arbeitsmöglichkeiten eigentlich schnell zusammenzufassen:

  1. Sie können selbst einen Verlag gründen.
  2. Sie können als Honorarkraft bzw. unabhängige Agentin mit einem Verlag zusammenarbeiten, etwa zum Lektorat, Korrektorat, Projektmanagement.
  3. Sie können sich von einem Kleinverleger anstellen lassen – doch sei gleich erwähnt, dass diese Möglichkeit eher theoretischer Natur ist, denn Kleinverlage zeichnen sich durch einen winzigen Mitarbeiterstamm aus, der meist aus der bzw. den Eigentümern besteht.

Nun wollte ich recherchieren, doch gerade noch rechtzeitig fiel mir ein: Ich bin ja selbst Kleinverlegerin! Was ist schon Recherche gegen Erfahrung?
In einem Moment, in dem es mit dem Habilitationsschreiben nicht so recht voranging und zudem eine Festschrift vorbereitet werden musste, überlegte ich, wie ich zukünftig manchen Frust vermeiden könnte, unterbreitete meinem Mann die Idee, einen Verlag zu gründen, 20 Minuten später hatten wir einen Namen, da ja einer hermusste, ich fuhr am Nachmittag zum Ordnungsamt, um das Gewerbe anzumelden, und machte abends eine Flasche Prosecco auf, um dies zu feiern. So einfach geht also die Gründung.
Der zu vermeidende Frust bezog sich im Wesentlichen auf meine Erfahrung als Autorin und Herausgeberin; ich musste nämlich jeweils eine druckfertige Datei beim Verlag abgeben (Lektorat, Korrektorat und Satz lagen also ohnehin in meiner Hand), eine Abbildung für den Titel bereitstellen, sämtliche Rechte an Abbildungen und Karten besorgen sowie die erforderlichen Druckkosten einwerben. Und dann musste ich mich ärgern, falls ich mehr als drei Exemplare benötigte, dass ich sie dem Verlag abkaufen musste. Ich dachte, den “Rest”, nämlich Coverdesign, Organisation der Herstellung, Marketing und Vertrieb, kann ich dann auch noch einfach selbst machen oder in Auftrag geben. Ich hatte keinen Businessplan, keine Software, keine Erfahrung im Vermarkten von Büchern, aber Spaß an der Sache und damit den Spin, wieder an die ungeliebten Hauptaufgaben zu gehen.
Der Kontakt zu unserer ersten Autorin, Ellen Dunne, entstand über gemeinsame Freunde. An ihrem Buch WIE DU MIR lernte ich unendlich viel:

  • Über die Kalkulation des Ladenpreises und die Verzweiflung, wenn diese zerschossen wird, weil zwischen Test- und Endsatz plötzlich 200 Seiten mehr auftauchen.
  • Über die eigentlich geringe Gebühr für ISBN, aber Mindestabnahmezahlen.
  • Über das Problem, Büchersendungen innerhalb Europas zu verschicken und die Bundeszentrale für Steuern, über deren Website die Bestätigungen über die Befreiung von der Umsatzsteuer bei innergemeinschaftlichem Güterverkehr zu erhalten sind.
  • Überhaupt: die Berechnung der Umsatzsteuer. Ich wäre verloren, gäbe es nicht den online-Umsatzsteuerrechner.
  • Über Talent (Ellen) und Scheu (ich) beim Einsatz von social media. Eine Journalistin sagte mir: “Auf Ihrer Website steht sinngemäß: Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie mit meinen Produkten belästige.”
  • Über den langen Atem, den es braucht: ein halbes Jahr, ehe der erste Großhändler einstieg (und damit das Buch deutschlandweit über Nacht lieferbar wurde), ein ganzes Jahr, bis auch amazon erschlossen war.
  • Über die Machtstrukturen im Buchhandel – Thalia ist eine uneinnehmbare Festung. Aushilfskräfte, die nicht im VLB, sondern nur in den Katalogen der Großhändler recherchieren und dann die Auskunft geben, das Buch gäbe es gar nicht, sind der Tod für jeden Kaufimpuls.
  • Über hinreichende Kapitalreserven: Die erste Auflage war vergriffen, aber noch nicht alle Kunden hatten bezahlt, so dass ich für den Nachdruck nicht liquide war.
  • Über die Herstellung von eBooks mittels freeware (z. B. calibre) und den Segen von amazon an dieser Stelle.
  • Über Urheberrechte – sie gelten auch für Schriftarten, auch für die MS-Word-Standardschriften.
  • Über Arbeitgeberpflichten – Ich hatte für ein paar Tage eine Honorarkraft auf ihren Wunsch hin sozialversicherungspflichtig angestellt und lernte viel über Steuern, An- und Abmeldung zur Sozialversicherung, Berechnung der Beiträge, Gewerkschaften und Arbeitsschutz. Es ging alles gut, aber ich habe inzwischen viel Verständnis für kleine Betriebe, die lieber Honorarkräfte statt Angestellte beschäftigen.

Inzwischen habe ich das dritte Buch verlegt, die Titel vier bis sechs sind in Vorbereitung. Ich arbeite mich in Satz- und Layoutprogramme ein, übe mich in der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, um dafür zu sorgen, dass die Bücher auch ein Publikum finden. Da ich den Verlag in Nebentätigkeit führe, muss ich mir Lösungen für meine Erreichbarkeit und mein Zeitmanagement überlegen: Gestern etwa gingen drei Stunden für den Versand des neuen Titels drauf, nächste Woche bin ich drei Tage lang verreist und will kein Lager mitnehmen. Ich vergesse auch bisweilen, die Mailadresse abzufragen, in der die FAXe eingehen – ohne FAX geht nichts im Buchhandel.
Auch über die Zugehörigkeit zu Interessensverbänden muss ich mir allmählich Gedanken machen. Und vielleicht doch einmal einen Businessplan schreiben: Unsere drei Titel sind zwar erfolgreicher, als ich erwartet hatte, doch der erste ist nun so eben kostendeckend – von Gewinn, gar ein Einkommen für mich kann noch keine Rede sein. Erst mit mehr Titeln, deutlicher zu bestimmenden Zielgruppen und entsprechendem Marketing, käme wohl mehr Umsatz. Doch dafür braucht es Ressourcen: Zeit, Autoren zu finden bzw. selbst zu schreiben, und Geld, um Herstellung und Begleitkosten zu gewährleisten.
Überhaupt ist der Umsatz durch Dienstleistungen (Lektorat, Korrektorat, Beratung, Coaching) für mich sehr viel höher und leichter zu erwirtschaften als durch den Verkauf von Büchern. In den Buchpreis fließen natürlich die Umsatzsteuer (7%) und das Autorenhonorar (10%), die Herstellungs- und Nebenkosten (ca. 30%, bei uns Druck, Werbe- und Coverdesign) sowie die Rabatte, die wir dem Buchhandel für den Wiederverkauf gewähren und die zwischen 35 und 50% liegen. Aus dem Rest, der also schlimmstenfalls nicht besteht und bestenfalls bei ca. 20% liegt, müssen die allgemeinen Kosten des Unternehmens gestemmt werden: Kommunikation, Verpackungsmaterial, Gebühren, Entwicklung des Logos, Fachliteratur und natürlich das fantastische Gehalt der Verlegerin.
Es ist also einfach und schnell gemacht, einen Verlag zu gründen. Ich habe dabei gelernt, dass es im Vergleich dazu, Bücher zu verkaufen, sogar leicht ist, Bücher zu schreiben. Einen Verlag dahin zu führen, dass er die Existenz ermöglicht, braucht

  • finanzielle Liquidität,
  • engagierte Autoren, die für ihr Werk selbst in die Öffentlichkeit treten,
  • Affinität zu social media und elektronischen Formen der Veröffentlichung und Verbreitung sowie einen entsprechenden Medienmix aus “alt” und “neu”,
  • Kompetenz in Textverarbeitungs- und “Kreativsoftware”,
  • jemanden, der sichtbare, attraktive Umschläge gestalten kann – ohne guten Umschlag sind die Titel im Buchhandel verloren
  • Zähigkeit, Buchhändler davon zu überzeugen, die Titel in ihr Angebot aufzunehmen.
  • Eine Schwerpunktsetzung und daraus folgend eine Bestimmung der Kunden und ihrer spezifischen Bedürfnisse. Fachbücher brauchen fachkompetentes Lektorat und weniger Coverdesign, Kinderbücher brauchen ebenfalls fachkompetentes Lektorat – nämlich zielgruppengerecht – und ansprechende Illustrationen usw.
  • Zudem wäre zu überlegen, ob ein Kleinverlag neben den Büchern auch Dienstleistungen anbieten kann – Beispiele für solche Kombinationen gibt es gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich (z. B. Vergangenheitsagentur – Vergangenheitsverlag).

Plinke, Manfred: Mini-Verlag. Selbstverlegen. Ein Ratgeber für Verlagsgründer, Berlin 1998

Pahlke, Heinz W.: Buchsatz für Autoren, Herzogenrath 2008

Internationale Buchmesse für Kleinverleger und Handpressen

Stiftung pro libri Luzern

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