Wenn Sie demnächst mal wieder süffisant und angriffslustig gefragt werden, was Sie nach Ihrem Studium werden wollen, so verblüffen Sie Ihr Gegenüber: „Kabarettist!“ Es gibt wahrscheinlich mehr Kabarettisten als Taxifahrer unter unseren Kommilitonen. Ihr Einkommen ist allerdings ungefähr gleich, irgendwas zwischen 1000 und 1500 Euro im Monat (Nachweis für die KSK-Versicherten „Darstellende Kunst“ bei der KSK ; für Taxifahrer z. B. in diesem Blog). Die jeweiligen Stars der Szene müssen Sie da natürlich rausrechnen. Ich hatte mal einen Mittelpromi-Kabarettisten für eine Messe angefragt. Er wollte 3000€ für eineinhalb Stunden. Das konnten wir nicht bezahlen, also: Wir wissen, was Kabarettisten ggf. als Gage wollen. Wir wissen aber auch, dass diese im Zweifel nicht gezahlt wird. Daher sind solche Stundensätze nicht so richtig aussagekräftig.
Werden wirklich Absolventen in bemerkenswerter Zahl Kabarettist? Schon. Ich habe Ihnen unten eine Liste angefügt. Sie entstand nach einer vergnüglichen Stunde in der „Anstalt“. Bei der Recherche stellte ich fest:
- Die meisten haben entweder mindestens eine Geisteswissenschaft studiert oder eine fundierte Schauspielausbildung oder beides. Beliebt ist auch die Kombination aus Geisteswissenschaft und Theaterwissenschaft.
- Es ist nicht leicht, Frauen zu finden; sie gehören eher ins Publikum oder in die Zote. Wenn allerdings eine Frau sichtbar war, dann ist sie meist den Weg über die Schauspielschule gegangen. (Zu Gender und Kabarett gäbe es auf verschiedenen Ebenen noch was zu tun. Finden Sie nicht witzig und unsexy? Q.e.d. Siehe z. B. hier: http://www.kriszti-kiss.de/gender.html) ABER: Frauen sind im Hintergrund, organisieren Veranstaltungen, sitzen Fördervereinen und Bühnen vor. Die sorgen also für ihre jeweilige Unterhaltung, und das finde ich auch ganz sympathisch.
- Kommilitoninnen sind allerdings in der Comedy zu finden – im Sinne des eher massenmedialen, unpolitischen, dem Alltag zugewandten Kabarett. Gibt es etwa eine gläserne Decke zur anspruchsvolleren Form?
- Es lassen sich regionale Schwerpunkte ausmachen. Viele Geisteswissenschaftler-Kabarettisten haben in München, Bonn oder Wien studiert. Die Wiener sind überwiegend auch eher in Österreich vertreten. Dort gibt es entsprechende Bühnen und Zirkel, in denen Austausch, Empfehlung, Weiterbildung möglich ist. Merke: Wenn Du Kabarettist werden willst, geh in eine Stadt mit Uni, Humor und Bühnen.
- Insbesondere jüngere Kabarettisten haben das Kabarett mitunter zum Gegenstand ihrer Qualifikationsschriften gemacht und so einen inhaltlichen Schwerpunkt im Studium gelegt.
Wie wird man Kabarettist?
Texten. Üben. Kabarett besuchen. Üben. Youtube durchsuchen und viel schauen. Konzepte entwickeln, ausprobieren, verfeinern. Üben. Präsentieren, z. B. auf offenen Bühnen (etwa http://www.einfach-so-show.de/ ). Veranstaltungen organisieren. Mentoren finden. Üben. Workshops belegen. Üben. Sich auf Preise bewerben. Anhänger hinter sich scharen. Üben. Sobald Einnahmen fließen, sich bei der KSK versichern.
Workshops z. B. hier:
- Erste Münchener Kabarettschule, Lisa Fitz http://www.muenchner-kabarettschule.de/
- http://foerderverein-kabarett.de/kabarettakademie/
Literatur:
Helmut Bachmaier (Hg.): Texte zur Theorie der Komik, Stuttgart 2005
Klaus J. Deuser: „How to be Lustig“ … und kann man damit besser leben, Köln 2009
Werner Gehrcke: Rezeptur der Bühnenkomik: Theorie und Praxis des Komischen auf der Bühne, Hamburg 2012
Christoph von Ungern-Sternberg/ Christian Haberecht (Hg.): Politisches Kabarett und Satire, Berlin 2007
John Vorhaus: Handwerk Humor, Frankfurt a.M. 2010
Vereine/Verbände:
http://foerderverein-kabarett.de/
http://www.bundesvereinigung-kabarett.de/
Liste (ist ein bisschen wild und natürlich unvollständig und überwiegend nach wikipedia):
Enissa Amani | Jura, Literatur | |||
Frank-Markus Barwasser (Erwin Pelzig) | Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Ethnologie | München, Salamanca | ||
Susanne Brantl | Theaterwissenschaften und Germanistik | München | ||
Konrad Beikircher | Musikwissenschaft, Psychologie und Philosophie | Bonn | ||
Alfred Dorfer | Theaterwissenschaft und Germanistik | Wien | ||
Matthias Egersdörfer | Germanistik, Theaterwissenschaft und Philosophie | |||
Eva Eiselt | Germanistik und Pädagogik | Bonn | ||
Uschi Flacke | Geschichte, Politikwissenschaft, Germanistik und Theater-, Film- und Medienwissenschaften | Berlin, Köln | ||
Josef Hader | Germanistik und Geschichte | |||
Dieter Hallervorden | Romanistik | HU Berlin | ||
Katrin Hart | Kultur- und Theaterwissenschaft | Leipzig | ||
Dieter Hildebrandt | Literatur- und Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte | München | ||
Hanns Dieter Hüsch | Medizin, Theaterwissenschaft, Literaturgeschichte und Philosophie | |||
Bruno Jonas | Germanistik, Politologie und Philosophie, später Theaterwissenschaft | München | ||
Uli Keuler | Rhetorik, Germanistik und empirische Kulturwissenschaft | Tübingen | ||
Luise Kinseher | Germanistik, Theaterwissenschaften und Geschichte | München | ||
Marc-Uwe Kling | Philosophie und Theaterwissenschaft | FU Berlin | ||
Frank Lüdecke | Germanistik und Geschichte | FU Berlin | ||
Jochen Malmsheimer | Germanistik und Geschichte, Buchhändlerlehre | |||
Jens Neutag | Politik- und Erziehungswissenschaften | |||
Dieter Nuhr | Kunst und Geschichte | Essen | ||
Rainer Pause | Medizin, dann Germanistik, Kommunikationswissenschaften und Phonetik | Bonn | ||
Gerhard Polt | Politikwissenschaft Geschichte und Kunstgeschichte Skandinavistik und Altgermanisch | München und Göteborg | ||
Volker Pispers | Anglistik, katholische Theologie und Pädagogik | Bonn | ||
Urban Priol | Englisch, Russisch und Geschichte | Würzburg | ||
Sebastian Pufpaff | Rechtswissenschaften, Politikwissenschaft, Soziologie und Staatsrecht | Frankfurt am Main, Bonn | ||
Lukas Resetarits | Psychologie und Philosophie | Wien | ||
Mathias Richling | Literatur-, Musik- und Theaterwissenschaft | |||
Richard Rogler | Französisch und Sport | Würzburg | ||
Helmut Ruge | Soziologie und Psychologie | |||
Werner Schneyder | Publizistik und Kunstgeschichte | Wien | ||
Horst Schroth | BWL, Geschichte, Sozialwissenschaften | |||
Philip Simon | Germanistik, Geschichte und Philosophie | Essen | ||
Christian Springer | Semitistik, Philologie des christlichen Orients und bayrische Literaturgeschichte | München | ||
Dirk Stermann | Theaterwissenschaften und Geschichte | Wien | ||
Nessi Tausendschön | Theaterwissenschaften, Germanistik und iberoromanische Philologie | Erlangen-Nürnberg | ||
Mathias Tretter | Anglistik und Germanistik | Würzburg, Edinburgh und Heidelberg | ||
Andreas Vitásek | Theaterwissenschaften und Germanistik | Wien | ||
Claus von Wagner | Kommunikationswissenschaften, der Neueren und Neuesten Geschichte und des Medienrechts | München | ||
Sigi Zimmerschied | Religionspädagogik | |||
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke für den guten Artikel. Ich mag ihn und ich mag Kabarett. In dieser Hinsicht habe ich zwar nie etwas unternommen, aber ich seh es mir gern an. Das ist für mich noch richtige Unterhaltung. Witzig und dabei immer kritisch – genau das richtige um sich auf eine humorvolle Art und Weise wach rütteln zu lassen. Schade, dass Massenmedien kluge und wortgewandte Kabarettisten meiden. Und noch viel schlimmer ist, dass Menschen, die auf der Bühne ihre Freundin diskreditieren Stadien fühlen, während Kabarettisten mit selbst geschriebenen und gut durchdachten Texten sowie hart erarbeitetem Können (wie z.B. ein Instrument spielen oder Tanzen) oftmals gerade einmal ein örtliches Volkshaus füllen…
Neben „Üben“ hilft auch der Blick eines Regisseurs von außen. Auch oft ein Job von Geisteswissenschaftler*innen 🙂
Stimmt natürlich!
[…] Kabarettist*in […]