In den aktuellen Stellenausschreibungen findet Ihr Ausschreibungen zu Initiativbewerbungen. Und nun mögt Ihr denken: „Was soll das? Entweder gibt es eine Ausschreibung, oder ich bewerbe mich initiativ.“ Was hat es also damit auf sich?
Vereinfacht dargestellt, handelt es sich bei diesen Ausschreibungen häufig um ein Mittel, Bewerber*innenpools für Unternehmen anzulegen, um im Falle einer Vakanz oder eines neuen Projekts aus diesem Pool zu rekrutieren und so Stellen schneller und günstiger zu besetzen als dies bei einer Ausschreibung der Fall wäre. Insbesondere dann, wenn Fachpersonal rar ist, wenn hohe Fluktuation herrscht oder auch wenn Unternehmen(sabteilungen) sehr innovativ sind, sodass klassische Ausschreibungskategorien für das neu zu schaffende Einsatzgebiet nicht wirklich passen, können über die Pools erste unverbindliche Kontakte hergestellt werden, aus denen sich dann ein Einstellungsverfahren entwickeln kann. Dies gilt auch dann, wenn Unternehmen wissen, dass sie „blinde Flecken“ haben und nicht alle potenziellen Kandidat*innen mit ihrer Ausschreibestrategie erreichen. Insofern kann diese Form der Initiativbewerbung als ein Instrument zur Personalbeschaffung von Unternehmen verstanden werden.
Worin liegen die Vorteile für Menschen, die diesen Weg gehen – immerhin gibt es ja offensichtlich gerade keine freie Stelle?
Insbesondere in großen Unternehmen sind immer wieder Stellen frei, auf die wir bei klassischer Ausschreibungssuche gar nicht stoßen würden; vielleicht ist unser Suchbegriff nicht richtig, vielleicht denken wir, gar nicht gemeint zu sein, weil der Zuschnitt der Abteilung sehr fern von unseren Fächern ist, vielleicht schätzen wir für dieses Unternehmen auch unsere Kompetenzen, unser Profil oder die angemessene Einstiegsposition nicht richtig ein. Wenn wir unsere Daten in die Datenbank einpflegen und aktuell halten, geben wir dem Unternehmen eine Möglichkeit, unser Profil auf den Personalbedarf hin zu deuten.
Womöglich wendest Du ein, dass die Nachfrage von Konzernen und großen Unternehmen nach Geisteswissenschaftler*innen bekanntlich überschaubar sei und kaum Überraschungen warten. Ich bin optimistisch, doch möchte anregen, das eigene Profil weniger aus der fachlichen Herkunft zu beschreiben als auf die möglichen praktischen Tätigkeiten hin. Konzerne suchen tatsächlich nicht so häufig nach „Historikern“ – wohl aber Personal für den Bereich Corporate Responsibility/Nachhaltigkeit; auch nicht so häufig nach „Germanistinnen“ (von den unzähligen individuellen Namen der Masterstudiengänge zu schweigen) – wohl aber Personal für Kommunikation, und dies ggf. auch in Fremdsprachen. Sozialwissenschaftler, Philosophinnen können für Personalentwicklung wichtige Kompetenzen und Methoden bieten. Treffen wir aber auf Ausschreibungen in diesen Bereichen, werden die Fächer häufig nicht aufgezählt, auch, um den Text kompakt zu halten. In der Folge bewerben sich viele nicht und können im weiteren Verlauf auch ihre Chancen für fachfremde Tätigkeiten nicht beurteilen. Datenbanken und Pools ermöglichen insofern unerwartete Kombinationen.
Ein weiterer Vorteil liegt auch auf Bewerber*innenseite in einer gewissen Unverbindlichkeit bei gleichzeitiger Sichtbarkeit. Anders als bei einer klassischen Bewerbung, bei der die Empfänger davon ausgehen, dass die Absenderin – von Ausnahmen abgesehen – ernsthaftes Interesse an der Stelle hat und sie bei einer Zusage auch grundsätzlich antreten würde, wäre bei einer Kontaktaufnahme aus der Datenbank heraus zunächst zu klären, ob an dieser konkreten Möglichkeit Interesse besteht – die eigenen Verhandlungs- und Gestaltungsräume können größer sein.
Und wo können Nachteile liegen?
Als erstes kommt mir mangelnde Transparenz in den Sinn – wenn eine Person noch nicht viel Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt und mit Bewerbungen hat, ist es schwer, abzuschätzen, was mit den Daten geschieht, selbst wenn dies in Datenschutzerklärungen etc. beschrieben wird. Mitunter finden sich darum im Rahmen des Employer Branding Dokumente und Infomaterialien, die diese Transparenz herstellen und gerade Berufseinsteigern erklären, wie und zu welchem Zweck wer auf welche Daten zugreifen kann – und ob es eine Person gibt, die rund um die Fragen der automatisierten Registrierung ansprechbar ist.
Zu den Aufgaben, die die Person selbst hat, gehören die Anlage des Profils und regelmäßige Statusupdates, vor allem auch der Austrag, wenn kein Interesse mehr besteht. In manchen Datenbanken gibt es auch die Möglichkeit, das Profil mit dem in Xing oder LinkedIn zu verknüpfen, sodass nur eines gepflegt werden muss.
Ein weiterer Nachteil kann darin bestehen, dass Du ein Profil anlegst, dass Dich nicht passend beschreibt, sodass entweder gar keine Angebote kommen oder aber unpassende. Dann gilt es, an der Selbstbeschreibung zu arbeiten, und das wiederum macht eben doch Recherche und Kommunikation notwendig, ist also nicht unbedingt eine Zeitersparnis infolge des Versprechens, sich einfach „finden zu lassen“.
Gibt es also die klassische „Initiativbewerbung“ gar nicht mehr?
Doch, durchaus. Ich empfehle, zu prüfen, wie der Begriff „Initiativbewerbung“ verwendet wird, geht es
(1) um eine Bewerbung in einen Pool/in eine Datenbank hinein wie oben beschrieben?
(2) um eine Bewerbung in einen bekannten, konkreten Arbeitsbereich (erkennbar z.B. an einem festen Ansprechpartner oder einen zuvor bestehenden Kontakt oder einer Netzwerkempfehlung), jedoch ohne Ausschreibung einer freien Stelle und zur Prüfung durch die Personalabteilung oder den*die Zuständige*n?
(3) um eine Blindbewerbung ohne vorherige Kontaktaufnahme und ohne Ausschreibung einer freien Stelle?
Diese Differenzierung hilft dabei, die notwendigen Handlungen abzuleiten. Handelt es sich um (1), die Datenbank, ist der nächste Schritt die Erstellung eines Profils und der Upload der angefragten Dokumente in die Datenbank meist über ein Webformular. Dabei ist darauf zu achten, dass die eigenen Daten so aufbereitet werden, dass sie dem Formular entsprechen. Handelt es sich um (2), die Bewerbung nach vorheriger Kontaktaufnahme, werden in der Regel Bewerbungsunterlagen erstellt und eingereicht, die jedoch nicht stellenspezifisch sind, sondern vor allem das Potenzial und das Spezifische des eigenen Profils und der Übereinstimmungen mit dem Profil den Vordergrund stellen. Handelt es sich um (3), die Blindbewerbung, ist es wichtig, plausibel zu erklären, welche Motivation vorliegt (Anstellung? Ggf. Empfehlung? Gern zu einem späteren Zeitpunkt?) und welche Ideen man zum wertschöpfenden Einsatz im Unternehmen hat.
Beispiele – ich habe bewusst auch eher „fremde“ Bereiche gelistet:
Pools:
Initiativbewerbung Professionals (m/w/d) für die Bertelsmann Stiftung (createyourowncareer.com)
Initiativbewerbung | Fresenius Karriere
Roche – Wie Sie sich bewerben
https://bewerbermanagement.edeka-minden.de/Vacancies/InitiativeApplication/1
Initiativbewerbung – E & K Gruppe (ekgruppe.de)
WDR
Initiativbewerbung · netvaerk Personalberatung
Initiativbewerbungen zur individuellen Prüfung z.B.
Initiativbewerbung (Ismaning) › Sport1 Medien AG (sport1-medien.de)
Initiativbewerbung | Oberpfalz Medien | Der Verlag für Kommunikation
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
[…] Jede Woche präsentieren wir Euch Stellenausschreibungen aus der Region Westfalen-Lippe. Hin und wieder sind auch ein paar Links zu Initiativbewerbungen dabei. Um Euch die Vor- und Nachteile dieser Art von Bewerbung näher zu bringen, hat die Brotgelehrte einen interessanten Beitrag verfasst. Lest ihn mal: Initiativbewerbungen – Brotgelehrte. […]
[…] nachhaltigen Themen beschäftigt, die Euch interessieren, dann versucht es doch mal mit einer Initiativbewerbung Mögliche Vor- und Nachteile so wie Tipps, haben wir für Euch in diesem Artikel […]