Lange dachte ich, der Körper sei keine relevante Dimension für Geisteswissenschaftler*innen. Der Titel dieses Blogs, Brotgelehrte, folgt ja Schillers Unterscheidung von Brotgelehrten und philosophischen Köpfen, die er in seiner Antrittsvorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte“ vornimmt. Der Gedanke an Schiller ist es auch, der diese Vernachlässigung des Körpers kontextualisiert. Als Safranksi 2004 seine Schiller-Biografie vorlegte, fand ich es vollkommen nachvollziehbar – ja, nachahmenswert -, als ich dort las: Die Obduktion von Schillers Körper ergab, er habe erstaunlich lange über sein Verfallsdatum hinaus gelebt (die Details sind, nun ja, wenig ästhetisch). Sein Sterbebegleiter Heinrich Voß habe notiert: „Nur bei seinem unendlichen Geiste wird es erklärbar, wie er so lange leben konnte.“ So, nahm ich mir als strebsame Doktorandin vor, wollte ich es auch handhaben; der Geist baue sich seinen Körper, denke nur fleißig.

Leider bröckelte mein Idealismus zwischen Dekonstruktion und Pragmatik dahin. So stand ich nun da und dachte: Mist, der Körper ist doch eine relevante Dimension für Geisteswissenschaftler*innen. Zwar muss ich dank Digitalisierung nicht mehr elende Fußwege zu abgelegenen Archiven hinter mich bringen, und auch keine kiloschweren Inkunabeln tragen und im Stehen lesen. Aber stundenlang durch die Corona-Maßnahmen bedingt am Bildschirm zu sitzen schwächt den Körper und ermüdet den Geist.

Um dem angemessen zu begegnen hat „Brotgelehrte“ aktuell einen Sportwissenschaftler zu Gast: Julian Varnholt – insofern legitim, als dass die Neuordnung so mancher Fakultäten die Sportwissenschaften unter die Geistes- und Sozialwissenschaften fasst. Julian studierte Psychologie und Sportwissenschaften (M.Sc.). Er berät uns zu Fragen des guten Zusammenspiels von Körper und Geist und zur Motivation. Wir konnten uns davon überzeugen, dass das Training der von uns Kopfarbeiterinnen oft vernachlässigten Muskulatur (Nacken, Beinrückseiten, Füße) hilft, klarer zu denken, tiefer zu atmen und effektiver zu schreiben.

3 Quick-Tipps, um uns nicht gleich zu überfordern:

  1. Schon (der vormoderne) Francis Bacon – ach: Epikur! – kannte den philosophischen Spaziergang als epistemologisches Hilfsmittel. Wir können also darauf verzichten, uns einem wesensfremden Lifestyle anzupassen, und uns stattdessen in unserem eigenen Fundus bedienen: das Lehrgespräch im botanischen Garten ebenso suchen wie die Erkenntnisse, die man nur als Flaneuse im ländlichen Raum um drei Uhr morgens gewinnt. Wahrnehmung in Bewegung ermöglicht geistige Beweglichkeit. Gehe!
  2. Falls Du frustriert bist, suche nach der entsprechenden physischen Redensart und setze sie um. Das ist vielleicht etwas retro, aber das macht nichts.
    „Ich bin doch nicht sein/ihr Hampelmann!“ – Sei dein eigener, 30 Mal.
    „Ich hab so’n Hals!“ – Dann mach was mit ihm: Nicken. Kopfschütteln. Dehnen nach rechts. Dehnen nach links.
    „Ich könnte explodieren!“ – Auf der Stelle, Arme anwinkeln, Fäuste ballen, auf die Zehenballen, alles anspannen, rennen und die Kraft fokussieren!
  3. Falls Du müde bist, und es liegt nicht am Schlaf – vielleicht liegts am Wasser? Trink. 2 Liter Wasser. Kein Schnickschnack, du musst nicht erst eine Kupferflasche mit Blume des Lebens bestellen. Sobald du müde wirst, trink Wasser.

Und wenn du dich nicht aufraffen kannst: Julian bietet ebenso wie wir anderen Brotgelehrten Coaching und Beratung an.

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