In unserer Reihe Brotgelehrte im Home-Office schreibt heute Julia Koop. Sie ist Studentin, Single und lebt in der Stadt.

Meine Arbeit besteht aus:

  1. Kernarbeit: Abarbeitung von Hausarbeiten
  2. Terminen, Telefonterminen usw.
  3. Finanzierungsmöglichkeiten suchen
  4. Nebenjobsuche in der Corona-Krise (eine Welt für sich)
  5. Sportalternativen finden, Motivation sowie Ausdauer am Schreiben, Lernen und Studieren zu erhalten
  6. Social-Media-Pausen schaffen

Ja, Studentenleben ist ein anderes Leben als Arbeitsleben, so heißt es doch. Aber auch ich erlebe gerade das Homeoffice anders, länger und neu. Denn Sprechstundentermine, Prüfungen oder Seminarsitzungen müssen gefunden und digitalisiert werden. Da Bibliotheken geschlossen sind, fehlt dieser Lern- und Recherche-Ort gänzlich. Alternativen hierfür zu finden, stellt eine Kunst für jede*n dar. Zum Glück gibt es bereits online einiges!

Neben dem Studium zählt das bloße Überleben: nämlich das finanzielle Desaster der aktuellen Corona-Krise, die viele Nebenjobs-Kündigungen mit sich brachte, einzudämmen und zu verringern. Alternative Förderungen zu finden, obwohl die Regierung die Studierenden gänzlich bei Fördermaßnahmen missachtet hat. Dabei sind wir die Zukunft…

Für alle Studierenden, die auf dem Weg zum Abschluss sind, ist die Planung und Initiative zum Jobeinstieg erschwert. So kommen neben Finanzierungssorgen auch noch Zukunftsängste hinzu.

Nichtsdestotrotz versuche ich, mich weiter zu motivieren und nicht aufzugeben oder gar zu verzweifeln. Aber auch das ist eine eigene Herausforderung. Meine Devise ist, einen Alltag aufrecht zu erhalten und an meiner Arbeit zu schreiben, so gut es mit technischen und Recherche-Mitteln geht. Stark bleiben. Mir hilft es mehr, im Moment als in anderen Zeitvorstellungen zu leben, um im Hier und Jetzt Lösungen zu finden. Mit Ungewissheiten, Unsicherheiten und ungewohnten Situationen umgehen lernen. Dabei meinen eigenen Weg finden. Akzeptieren lernen, dass ungewollte Dinge dazwischen kommen und das Beste daraus gemacht werden muss.

Die nächste Schwierigkeit ist, dass technische Erweiterungen oder technischer Ersatz derzeit von sämtlichen Firmenkäufen leer gekauft wurden. So ist der Lieferbedarf für die Arbeitsgrundlagen zu einer eigenen Herausforderung geworden.

Ich wohne in der Stadt. Es ist schwierig, im Supermarkt, im Bus, im Zug oder auf engen Fußwegen/-gassen aus dem Weg zu gehen und den Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern einzuhalten. Es entstehen ungewöhnliche Laufwege und Verhalten. Lange Einkaufsschlangen und Wartezeiten, um in den Laden zu kommen, kalkuliere ich ein. Maske und Handschuhe tragen: Ja oder nein? Sinnvoll oder nicht? (Zum Glück bin ich nicht in Paris, wie noch zu Beginn des Jahres, kommt mir mittlerweile als leuchtender Gedanke auf.)

Was heißt „Home“? ist somit auch bei mir eine Frage. Immerhin darf ich nach draußen und um den Siedlungs-/Häuserblock um die Ecke laufen. Zwar wenig Grün, aber immerhin keine Begrenzung auf eine Stunde wie in Paris. Auch keine Uhrzeitbegrenzung, wann ich den Spaziergang mache oder Sport treiben möchte. Alternative Sportmöglichkeiten zu finden bringt eine eigene Kreativität mit sich. Mal nicht den Bus nehmen, sondern eine Stunde nach Hause laufen. Ein 6-Pack-Wasser statt ein neues Gewicht kaufen und tragen. Eigene Bewegungspausen finden.

Freunde aus ganz Europa, Algerien und USA erzählen mir unglaubliche Szenen. Szenen, die ich vor Corona nie für möglich gehalten hätte. Dann bin ich wieder froh in Deutschland zu sein. Ich habe gelernt: zu viele Corona-Updates tun mir nicht gut. Aktuell bleiben, ja, aber mit Maß.

Dennoch tut bei alle dem gut zu wissen: Es geht vielen wie mir.

Meine Frage ist immer wieder: Was ist Freiheit? Was bedeutet uns Freiheit? Ist es eine Abwägungsfrage, je nach Umständen? Warum sind Kulturwissenschaftler*innen nicht im Beratungsstab und medial präsent, um u.a. diese Fragen zu besprechen?

Wie sieht nun mein Alltag in der Umsetzung aus?

  1. Ich lese, recherchiere, schreibe usw. nach wie vor. Und lege dabei mein Handy möglichst woandershin.
  2. Video-Telefon-Termine sind mir geschminkt und (universitär) angezogen angenehmer als ungeschminkt in meinen lässigen Klamotten.
  3. Für Finanzierungsmöglichkeiten lasse ich mich bei Anlaufstellen (Jobcenter, Kulturbüro, Studienberatung, Gründerberatung) beraten. Damit hoffe ich, meinen persönlichen Sonderfall abdecken zu können. Nervige Warteschleifen in Kauf nehmen und dabei das Handy auf Laut stellen, um in der Wartezeit nebenbei etwas machen zu können. Zusätzlich höre ich mich bei Kolleg*innen während der Nebenjobs sowie bei Freund*innen um, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen. Dabei finden sich viele neue Ideen. Das kann also auch produktiv und kreativ aussehen.
  4. Meine Nebenjob-Suche findet nebenbei statt, z.B. beim Einkaufen. Da frage ich im Supermarkt, ob sie noch Bedarf haben (oft ist kein Bedarf, anders als angekündigt). Ich hatte ein Paket bestellt, welches lange nach Ankündigung angekommen war: So bewarb ich mich auf eine Zustellerstelle bei DHL. Kreativität, Offenheit für außerdisziplinäre Bereiche und zufällige Jobmöglichkeiten sind nun gefordert. Keiner kann sich mehr in seinem studentischen Spezialgebiet bewerben, sofern er/sie nicht Medizin, Recht oder Ethik studiert und darin arbeitet.
  5. Wie in jeder Studienabschlussphase ist in der Corona-Zeit auch das Einhalten, des auf sich Achtens, sich immer wieder motivieren, das Durchhalten der Stressphasen und des Drucks eine Zerreißprobe. Aber das Ziel des Abschlusses oder andere eigene gesetzten Ziele/Belohnungen können helfen. Etappen und schrittweises Planen und abarbeiten können ebenfalls helfen. To-Do-Listen von Tagen, Wochen und Monatsaufgaben helfen mir, Prioritäten zu setzen, den Überblick zu erhalten, Fristen nicht zu verpassen und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Auch Pausen bewusst zu nehmen, mit Freunden oder mit der Familie immerhin zu telefonieren. Gänzlich alleine zu sein, tut nicht gut. So sind diese Anrufe sehr wichtig für mich geworden. Gerne kombiniere ich einen Spaziergang damit, um Zeiten gut zu nutzen.
  6. Auch wenn Social Media verlockend sind, Stimmungen heben können und beim Vermarkten von sich selbst helfen können: Mir ist es wichtig, bewusste Nachrichten- und Social-Media-Pausen zu nehmen und auch einzuhalten. Hier zählen ebenfalls Selbstbeobachtung, Reflexion und Abstand-Gewinnung.

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