Befristete Verträge sind sowohl für den wissenschaftlichen als auch – wenngleich weniger häufig – für den wissenschaftsstützenden Dienst eine Realität, die einer strategischen, nachhaltigen Karriereplanung oft entgegenstehen. Solange die Rahmenbedingungen unverändert sind und auch die Haltung, Fluktuation sorge für Innovation noch nicht hinreichend ironisch gebrochen ist, stellen sich pragmatische Fragen, etwa:

  • Warum also nicht bewusst eine Projektkarriere gestalten, wie in der IT, im Consulting oder im Bauwesen? Es gibt ja durchaus mehr Branchen als die Wissenschaft, in denen das Wechseln von Projekt zu Projekt gängig ist. Was lässt sich aus diesen Arbeitsfeldern adaptieren?
  • Wie lässt sich aktiv eine Projektkarriere im Hochschulbereich gestalten? Immerhin gehen in meinem Umfeld nun Menschen in den Ruhestand, die ihr gesamtes Berufsleben auf befristeten Verträgen in Hochschulen verbracht haben. Insofern sind Projektlaufbahnen vielleicht eine Normvarianz, unter den gegebenen Rahmenbedingungen auch unattraktiv, aber nicht undenkbar.

Inhalt

Zunächst bedeutet die bewusste Entscheidung für eine Projektlaufbahn nicht notwendigerweise die Entscheidung gegen eine entfristete Stelle. Wenn sie des Weges kommt und ins Leben passt – natürlich gern! Aber falls dies nicht eintrifft, kann die Entscheidung für eine Projektlaufbahn mehr Kontrolle über die eigene Beschäftigung in der Wissenschaft bedeuten. Dafür erforderlich sind mindestens die folgenden Punkte:

Es ist wichtig, zu verstehen, wie Befristungen funktionieren und auf welcher Grundlage Arbeitsverträge befristet sind – nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder nach Teilzeit- und Befristungsgesetz? Eine Projektlaufbahn auf Befristungen nach WissZeitVG aufzubauen ist aufgrund des Qualifizierungsziels und der Höchstbefristung nicht möglich; es braucht Stellen nach TzBfG – z.B. in Projekten, als Vertretung oder bei Vakanzen. Einen guten Überblick bietet der Ratgeber der GEW: Befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (gew.de) .

Die Fähigkeit, Forschungsmittel zu akquirieren bzw. im Team an der Akquise mitzuarbeiten, ist entscheidend für eine erfolgreiche Projektkarriere an Hochschulen. Das Verständnis der Förderlandschaft, einschließlich relevanter nationaler und internationaler Förderorganisationen, ist unerlässlich.
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In Projektlaufbahnen gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: Wissenschaftliche: Mitarbeiter:in oder Koordination, sowie eine hybride Option, die Anteile beider Profile hat.

Für eine Tätigkeit als wissenschaftliche:r Projektmitarbeiter:in ist zunächst die fachliche Eignung entscheidend. Hinzu treten gängige Kompetenzen, um den Anforderungen des Wissenschaftssystems zu entsprechen: Selbstorganisation, Finanzierung und Antragsprozesse, Schreiben und Publizieren, Kommentieren und Einordnen. Für die Projektarbeit sind darüber hinaus Fähigkeiten zur Kommunikation und Arbeitsorganisation im Team wichtig, je nach Position auch (laterale) Führungskompetenz sowie Grundkenntnisse im Projektmanagement.

Das Projektmanagement steht für die Koordination im Vordergrund. Darin vereinen sich organisatorische Fähigkeiten wie Planung, Controlling und Verwaltung, die gerade in den Geisteswissenschaften oft diskursiv und weniger direktiv implementiert werden – was Kommunikationsstärke und ebenfalls laterale Führungskompetenz erfordert. Gerade hinsichtlich einer Laufbahnplanung als Abfolge von Projekten ist es zentral, Zyklen und Förderpolitik zu kennen und sich strategisch dazu zu verhalten, anpassungsfähig zu sein und Entwicklungen der Hochschulgovernance zu verfolgen.

Je nach eigenem Qualifikationsstand ist es nur bedingt möglich, eigene Projekte zu beantragen. Das bedeutet, dass strategische Partnerschaften mit antragsberechtigten Personen einzugehen sind – und um der eigenen Kontrolle und Beweglichkeit willen sinnvollerweise nicht nur mit einer einzigen Person. Das wiederum bedeutet, dass Netzwerken zu den zentralen Kompetenzen und Tätigkeiten gehören muss. Es ist zentral, frühzeitig Anzeichen für Forschungstrends zu erkennen, um Projekte zu initiieren, und ebenso wichtig, während laufender Projekte das Netzwerk zu pflegen, um im Fall einer fehlenden Anschlussperspektive möglichst nahtlos wechseln zu können.

Hier wird in den kommenden Jahren interessant werden, ob sich für Projektleitungen und -koordinationen das Prinzip der Projektmanagement-Offices durchsetzen wird, wie wir es z.B. schon in den Niederlanden beobachten. Die Hochschulen behalten die Projektmanagement-Kompetenz im Haus und ordnen die Expert:innen aus dem zentralen Office in die jeweiligen Projekte ab. Dass Adaptivität und die Fähigkeit zum transdisziplinären Arbeiten hier gefordert sind, liegt auf der Hand.

Notwendigerweise gehen Projektlaufbahnen mit Unsicherheit einher; es ist unklar, ob und wann es Folgeprojekte gibt, und ob ein Umzug oder ein Pendeln mit einer attraktiven Anschlussstelle einhergehen werden. Teilweise reagieren Hochschulen schon darauf, dass mit Projektmitarbeitenden, die ausscheiden, auch wesentliches Prozesswissen die Organisation verlässt, und sie versuchen, mit zentralen Projektmanagement-Offices gegenzusteuern, s.o.

Aber abgesehen davon bleibt der Umgang mit Unsicherheit eine individuelle Aufgabe. Strategien zum Umgang mit Ablehnung von Anträgen und Publikationen, dem oft gleichzeitigen Stress aus Projektabschluss und der Suche nach einer Anschlussfinanzierung und auch eine passende finanzielle Absicherungsplanung für Phasen der Nichtbeschäftigung, Wartezeiten, Vertragsreduktionen gehören dazu. Vielleicht ist diese individuelle Last die größte Abschreckung, gerade für die traditionell dem öffentlichen Dienst und seinen Sicherheiten nahestehenden Geisteswissenschaftler:innen. Aber, wie oben geschrieben – sie sind damit nicht allein. In vielen Branchen gibt es Projektarbeit, und hier kann sich ein Austausch lohnen, um Phänomene richtig einordnen und sich gut vorbereiten zu können.

Obwohl befristete Verträge und Projektarbeit in der Wissenschaft gängig sind, gibt es an Hochschulen nur sehr selten institutionalisierte Personalentwicklungsstrukturen, die dem Rechnung trägt. Für die Studierenden ist oft noch ein Career Service da, in Graduiertenschulen gibt es manchmal Karriereberatung und Coaching, aber diejenigen, die weiter fortgeschritten sind, sind meist auf sich allein gestellt. Hochschulen vernachlässigen ihre Arbeitgeber-Rolle gerade bei dieser Gruppe, die oft hochqualifiziert und -spezialisiert ist, wie es Postdocs, Projektleitungen und -koordinationen oder auch – jenseits der Projektstruktur – Professor:innen ohne Tenure eben sind. Der eine Punkt ist, dass die Organisation wichtiges Wissen verliert oder brachliegen lässt. Der andere Punkt ist aber für diejenigen, die sich gut vorstellen können, einen Projektlaufbahn zu absolvieren, dass es zur Privatsache wird, sich weiterzubilden, etwa zu technischen und automatisierten Lösungen des Projektmanagements oder zu den Herausforderungen des Multiprojektmanagements oder des Managements von (internationalen) Verbundprojekten. Mit der Zeit kann es sinnvoll sein, die Professionalisierung der Projektarbeit in das Projektbudget einzuplanen, um auch auf der Prozessebene Qualitätsverbesserungen zu erzielen – und selbst attraktiv für Arbeit- und Auftraggeber jenseits der Hochschulen zu bleiben, falls dies nötig wird.

1. Wissenschaftliche Laufbahn mit Projektbeteiligung

Eine wissenschaftliche Projektkarriere folgt der Abfolge von Forschungsprojekten. Je nach Gelegenheit sollten zunehmend komplexe Aufgaben übernommen werden, wenn wir von „Karriere“ sprechen wollen. Das kann von der Mitarbeit in kleineren Projekten hin zur Leitung großer, internationaler Projekte gehen.

Beispiel:

Wissenschaftliche Projektmitarbeiterin – Institut für Soziologie, Universität X
Forschungsprojekt: „Soziale Ungleichheit und Mobilität“ (2015–2018)

  • Durchführung von quantitativen und qualitativen Studien
  • Mitarbeit an Publikationen und Konferenzbeiträgen
  • Koordination von Teilprojekten innerhalb des Gesamtprojekts

Wissenschaftliche Projektleiterin – Institut für Politikwissenschaft, Universität Y
Forschungsprojekt: „Politische Partizipation im digitalen Zeitalter“ (2018–2021)

  • Eigenständige Leitung eines interdisziplinären Forschungsteams
  • Akquisition von Drittmitteln und Verantwortung für die Budgetverwaltung
  • Veröffentlichung von Artikeln in führenden Fachzeitschriften
  • Organisation von internationalen Konferenzen

Forschungsgruppenleiterin – Institut für Zukunftsforschung, Universität Z
Verbundprojekt: „Zukunft der Arbeit in digitalen Gesellschaften“ (2021–heute)

  • Leitung eines internationalen Teams von 10 Forschenden
  • Verantwortung für das Gesamtprojektmanagement
  • Etablierung von Netzwerken zwischen Hochschulen und Industrie
  • Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Fördergebern

2. Karriere als Projektkoordinatorin oder im Wissenschaftsmanagement

Eine Laufbahn im Wissenschaftsmanagement oder als Projektkoordinatorin zeichnet sich oft durch die Entwicklung von administrativen, planerischen und organisatorischen Fähigkeiten aus. Hier kann sich die Karriere von der Koordination einzelner Projekte bis hin zur Leitung großer Verbundprojekte entwickeln.

Beispiel:

Projektkoordinatorin – Institut für Umweltwissenschaften, Universität A
Forschungsprojekt: „Nachhaltige Ressourcenplanung“ (2016–2018)

  • Planung und Durchführung der Projektstruktur
  • Abstimmung zwischen den beteiligten Fachbereichen und externen Partnern
  • Unterstützung bei der Beantragung von Fördermitteln

Leiterin des Projektbüros – Graduiertenschule für Umweltwissenschaften, Universität A
Projekt: „Innovative Lehrmethoden in der Biotechnologie“ (2018–2021)

  • Leitung des Projektbüros und Koordination mehrerer parallel laufender Projekte
  • Überwachung von Zeitplänen, Budget und Ressourcenverteilung
  • Mentoring und Unterstützung der Nachwuchswissenschaftler

Gesamtleitung Verbundprojekt – Universität B
Verbundprojekt: „Interdisziplinäre Forschung zur Klimaanpassung in urbanen Räumen“ (2021–heute)

  • Gesamtverantwortung für ein interdisziplinäres Projektteam aus drei Hochschulen und mehreren externen Partnern
  • Leitung und Koordination von Projektaktivitäten, Ressourcenmanagement und Budgetverantwortung über einen Förderzeitraum von fünf Jahren
  • Sicherstellung der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen (Stadtplanung, Klimaforschung, Sozialwissenschaften)
  • Strategische Steuerung und Berichterstattung an nationale und internationale Fördergeber
  • Verantwortung für die Kommunikation und den Wissenstransfer zwischen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Partnern (z.B. Städten, Unternehmen, NGOs)
  • Vorbereitung und Leitung von Arbeitsgruppentreffen, Workshops und Abschlusskonferenzen zur Dissemination der Projektergebnisse
  • Unterstützung der erfolgreichen Einwerbung von zusätzlichen Drittmitteln zur Erweiterung des Projekts und Förderung von Folgeprojekten

Wie oben geschrieben sind natürlich auch hybride Rollen, die wissenschaftliche und koordinierende Anteile enthalten, denkbar. Und wenn wir die Beispiele auf ein ganzes Berufsleben ausdehnen möchten, dann wird vermutlich die Art der ersten Beschäftigung zwei Mal vorkommen und die der zweiten und dritten mehrfach.

Ich hoffe, der Artikel hat einen Einblick in die Option der bewussten Gestaltung einer Projektlaufbahn gegeben. Ich wünsche viel Erfolg und den Mut, dieses Konzept klar zu kommunizieren, damit andere Dich gezielt unterstützen können, falls Du selbst planst, Deine Arbeit auf der Basis von Projekten zu gestalten. Damit nämlich wirklich ein Kontrollgewinn in die Projektarbeit kommen kann, ist es erforderlich, offen mit der Befristung umzugehen und die (meist unbefristeten) Professor:innen immer wieder auf die unterschiedlichen Bedingungen aufmerksam zu machen, unter denen Arbeit stattfindet. Dazu gehört auch die klare Abgrenzung, über die eigene Vertragslaufzeit hinaus für ein Projekt zu arbeiten, und eine klare Kommunikation, ab wann Du Dich um Anschlussverträge kümmerst und wann und wie das Offboarding stattfinden soll.

Trotz der Unsicherheiten und Schwierigkeiten kann eine Projektlaufbahn attraktive Möglichkeiten enthalten, darunter inhaltliche und personelle Abwechslung, Interdisziplinarität, kontinuierliches Lernen und eine wachsende Unabhängigkeit von der Gunst von Einzelpersonen. Aufgrund der Förderpolitik hat Projektarbeit oft eine größere Nähe zu aktuellen und gesellschaftlich drängenden Fragestellungen, als es klassische „Daueraufgaben“ haben. Wer den Umgang mit Unsicherheiten beherrscht oder einfach ein unbekümmertes Naturell hat, und nach und nach strategisch passende Projekte auswählt, kann langfristig von einer Projektlaufbahn profitieren und eine abwechslungsreiche, zufriedenstellende Karriere aufbauen.

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