Wie Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen auch Pools nutzen könnten, statt nur auf Ausschreibungen zu setzen.

von Isabella Gleißner & Mareike Menne

Isabella

Bist du es auch satt, stundenlang Stellenportale zu durchforsten? Du weißt, welche Kenntnisse und Fähigkeiten du hast, worin du Experte bist, aber auch nach langer Suche bieten die Stellenbörsen nicht den passenden Job? Und falls doch, dann entdeckst du ihn drei Stunden und 16 Suchbegriffe später auf Seite 32 von 254?

Warum es in diesem Fall für dich und viele andere Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen (GuS) sinnvoll sein kann, in (nicht nur Swimming-)Pools zu baden, und wie du dir diese Pools selbst aufbaust, erfährst du hier von mir.

Fachkräftemangel macht sich auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften bemerkbar

Die Jobsuche dauert nicht nur lang und ist mitunter vergeblich, sondern entpuppt sich immer wieder als recht einseitige Angelegenheit. Besonders GuS sind häufig davon überzeugt, dass sie die jeweiligen Stellen stärker benötigen als die Arbeitgeber*innen (AG) ihre Arbeitskraft.

Doch dies sei ein Trugschluss, versicherte mir der Leiter des Workshops, den ich beim Career Service der TU Dresden im Herbst vergangenen Jahres zum Thema Networking besucht hatte (siehe für einen kommenden Workshop zum Networking hier).

AG sind ebenso intensiv auf der Suche nach Fachkräften wie die Fachkräfte nach ihnen. Warum also nicht den Spieß umdrehen? AG könnten sich ab sofort Fachkräfte suchen und sich dementsprechend bei ihnen bewerben.

Tatsächlich gibt es diese Art und Weise der Stellenbesetzung bereits, nämlich durch die Aufnahme von Stellensuchenden in sogenannte Pools. Aber ist das wirkliche eine Chance für GuS?

Was ist das für ein Trend? AG nutzen folgende Pools, um passende Arbeitskräfte zu finden, u.a.:

1. Firmeninterne Pools – sie besetzen freie Stellen mit Menschen, die bereits im Unternehmen tätig sind.

2. Pools von Recruitingfirmen und Personaldienstleistern – Sie beauftragen Personal-Spezialisten mit der Suche nach Spezialisten für ihre freien Stellen, etwa mittels Active Sourcing in sozialen Netzwerken wie LinkedIn oder Xing. Die Aufgabe von Active Sourcern ist unter anderem, Fachkräfte für gewisse Stellen zu finden beziehungsweise einen Pool zu erarbeiten, aus dem für zukünftige Stellen geschöpft werden kann.

3. Recruiting-Veranstaltungen mit Workshops, Fallbesprechungen und Come Together.

Mareike

Es wird dir nicht schwerfallen, die Hürden für GuS zu sehen.

@1 Sie sind nicht bereits in Unternehmen, weil sie z.B. nicht dort ausgebildet werden, duale Studiengänge ebenso wie Abschlussarbeiten im Unternehmen unüblich sind.

@2 Personaldienstleister schauen nicht so sehr in die GuS-Absolventenschar, weil sie unübersichtlich und stark von individuellen Persönlichkeiten geprägt ist – bis da ein Profil exakt auf eine Anforderung trifft, fließt viel Wasser die Elbe hinab. Es ist wirtschaftlicher, für Standardstellen in großen, homogenen Absolventenkohorten zu suchen.

@3 Zu Veranstaltungen werden häufig Graduierte eingeladen, zu denen schon ein Erstkontakt bestand, etwa im Rahmen eines Pflichtpraktikums oder einer studentischen Tätigkeit. Viele GuS absolvieren ihre Pflichtpraktika aber nicht in Konzernen oder bei Mittelständlern, sondern in öffentlichen Einrichtungen, NGOs, vielleicht kleinen Unternehmen der Kulturwirtschaft – die oft nicht die Mittel haben, aufwändige Recruiting-Events zu veranstalten, und auch nicht die Notwendigkeit sehen, weil sich (noch) hinreichend Kandidat*innen auf freie Posten bewerben.

Was könnten GuS also tun, um im Pool mitzuschwimmen?

@1 Nach Unternehmen suchen, die bereits GuS an sichtbaren Stellen einsetzen und sich auf Einstiegsstellen bewerben. Etwa https://www.talentmeetsbertelsmann.com/.

@2 Nach Personaldienstleistern suchen, die auf den Kulturbereich spezialisiert sind, etwa Kulturpersonal.

@3 Nach Recruiting-Events suchen, die affin zu unseren Studienfächern sind. Z.B. Speed-Dating der Kommunikationsbranche: https://stellmichein.de/bewerben/ (Fristen enden bald).

Isabella

Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen kann häufig kein bestimmtes Berufsbild zugeordnet werden

Es gibt nur wenige Pools, die Experten aus den GuS aufnehmen. Und wenn doch, dann häufig nur für Berufsbilder, die keine fachspezifische Ausbildung verlangen – Geisteswissenschaftler mal wieder als Generalisten. Wenn beispielsweise ein*e Sales Manager*in für die DACH-Region gesucht wird, ist es mitunter egal, ob z.B. ein BA oder ein MA Romanistik vorliegt. Wichtiger ist das vollständige professionelle Profil, Fähigkeiten, welche durch Studium, vorherige Stellen oder Interessen besonders intensiviert wurden. Außerdem kann es eine Rolle spielen, wie gut sich der*diejenige mit dem Produkt identifizieren kann u.v.m. Genauso kann für eine Stelle als Messeveranstalter*in für die europäischen spanisch- und italienischsprachigen Gebiete eine Romanistin das Nachsehen haben, wenn ein Germanist außeruniversitäre Sprachkurse mit erster Branchenerfahrung kombiniert.

Das Abgrenzen in Berufsbilder hat häufig ein Ausgrenzen von GuS zur Folge. GuS ordnen sich oft nicht aktiv einem bestimmten Beruf zu. Was GuS stattdessen ausmacht, ist die individuelle Kombination von Fähigkeiten und Kenntnissen in unterschiedlicher Intensität. Auf diese Weise entstehen endlos viele Varianten von Berufen. Für Arbeitgeber ist dies ebenso wie für Personaldienstleister oft unübersichtlich.

Darum kann es für Geistes- und Sozialwissenschaftler hilfreich sein, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten nicht studiengangsbezogen, sondern Arbeitgeber- und Tätigkeitsbezogen in den Vordergrund zu rücken und sich aktiv für konkrete Stellen zu interessieren, statt abzuwarten, was ihnen vielleicht angeboten wird.

Lesetipps:

  • https://www.merkur.de/leben/karriere/xing-profil-optimieren-was-recruiter-suchen-zr-8379882.html
  • https://interim-group.de/so-wirst-du-von-recruitern-auf-xing-optimal-gefunden/
  • https://www.absolventa.de/karriereguide/online-bewerben/active-sourcing
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