
Von Anna Lemke und Mareike Menne
Heute weisen wir auf eine Seite hin, die sich auf Karriere-Chancen in Teilzeit für hochqualifizierte Menschen in München, Berlin und remote konzentriert: die Plattform TEILZEIT.TALENTE.
In den Geisteswissenschaften arbeiten viele Menschen, die sich mit Leidenschaft ihrem Fach widmen. Doch sobald Care-Arbeit ins Spiel kommt – sei es durch Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen –, stellt sich die Frage: Wie kann eine akademische oder anspruchsvolle berufliche Laufbahn mit einer Teilzeitstelle vereinbart werden? Häufig stehen die Betroffenen vor einer unbefriedigenden Wahl: Entweder eine adäquate, aber nur in Vollzeit verfügbare Stelle – oder eine Teilzeitstelle, die weit unter ihren Qualifikationen liegt. Dieses Problem ist keineswegs natürlich, sondern strukturell und menschengemacht: Eltern werden mit der Übernahme von Care-Arbeit in der Arbeitswelt systematisch benachteiligt, sodass auch darüber diskutiert wird, ob Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal in das AGG aufgenommen wird. Der sogenannten „Motherhood Lifetime Penalty“ beschreibt die finanziellen und karrierebezogenen Nachteile, die Frauen (und Menschen, die sich in Care-Fragen so verhalten, wie es Frauen zugeschrieben wird) durch Elternschaft erleiden – dazu zählen geringere Löhne, schlechtere Aufstiegschancen oder die Abwertung ihrer Qualifikationen. Dieses Dilemma führt nicht selten zu einem Karrierebruch, obwohl grundsätzlich die Motivation zur Arbeit auf hohem Niveau vorhanden ist.
Natürlich gibt es weitere Gründe, eine Karriere in abhängiger Beschäftigung in Teilzeit anzustreben, etwa eine nebenberufliche Selbstständigkeit. Die Plattform ist nicht auf Care-Arbeit allein ausgerichtet.
Teilzeit als Karrierebremse?
In vielen Berufsfeldern – und besonders in den Geisteswissenschaften – werden einige Karrierewege durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse geprägt. Befristete Verträge, Projektstellen und wenig planbare Zukunftsperspektiven sind eher die Regel als die Ausnahme. Wer dann noch in Teilzeit arbeiten muss, weil familiäre Verpflichtungen es nicht anders erlauben, läuft Gefahr, in eine berufliche Sackgasse zu geraten. Zwar gibt es eine zunehmende gesellschaftliche Anerkennung für flexiblere Arbeitsmodelle, doch viele Arbeitgeber:innen schreiben insbesondere Stellen mit fachlicher oder organisatorischer Führungsverantwortung ausschließlich in Vollzeit aus. Genau hier setzt die Plattform TEILZEIT.TALENTE an.
Die Plattform TEILZEIT.TALENTE
Johanna Fink, die Gründerin der Plattform TEILZEIT.TALENTE, hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau dieses Problem anzugehen. Ihre Plattform sammelt qualifizierte Teilzeitstellen, die nicht nur als Notlösung dienen, sondern anspruchsvolle Karrierewege ermöglichen. Ein wöchentlicher Newsletter informiert über Stellen in Berlin, München und remote – eine wertvolle Ressource für alle, die in anhängiger Beschäftigung eine wirkliche Balance zwischen Karriere und Familie herstellen möchten.
Darüber hinaus berät sie Unternehmen, wie sie Karriere in Teilzeit ermöglichen und sichtbar machen können. Zusätzlich bietet TEILZEIT.TALENTE einen Blog mit informativen Artikeln zu Teilzeitarbeit, Karriereentwicklung und Gleichstellung in der Arbeitswelt. Der zugehörige Podcast beleuchtet diese Themen durch Interviews mit Expert*innen, betroffenen Frauen und Unternehmen, die bereits erfolgreiche Teilzeitmodelle umsetzen. Diese Ressourcen bieten Inspiration und konkrete Strategien für Frauen, die sich in der Teilzeitfalle gefangen fühlen und nach besseren Lösungen suchen.
Was bedeutet das für Geisteswissenschaftler:innen?
Gerade in den Geisteswissenschaften sind viele Menschen von diesen Strukturen betroffen. Die Kombination aus vielen prekären Einstiegsstellen und struktureller Benachteiligung von Eltern macht es schwierig, langfristige Karriereperspektiven zu entwickeln – und für Eltern ist es umso schwerer, den Anforderungen von Vollzeitstellen gerecht zu werden. Die Initiative von TEILZEIT.TALENTE bietet hier einen neuen Ansatz: eine gezielte Sichtbarmachung von Arbeitgeber:innen, die verstehen, dass Teilzeit nicht mit geringerer Qualifikation gleichzusetzen ist.
Fazit: Ein Umdenken ist nötig
Um qualifizierte Menschen in der Arbeitswelt zu halten, braucht es ein Umdenken – sowohl in den Unternehmen als auch in der Gesellschaft. Plattformen wie TEILZEIT.TALENTE leisten hier einen wichtigen Beitrag. Sie zeigen: Karriere und Teilzeit müssen sich nicht ausschließen. Besonders für Geisteswissenschaftler:innen eröffnet sich damit die Chance, nicht nur irgendeine Arbeit anzunehmen, sondern eine, die ihren Qualifikationen gerecht wird. Denn wer exzellente Fachkräfte in der Teilzeitfalle hängen lässt, verspielt wertvolles Potenzial.
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Zum Motherhood Lifetime Penalty siehe auch: Manuela Barišić/ Valentina Sara Consiglio: Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt (Bertelsmann Stiftung: Beschäftigung im Wandel 06/2020), Gütersloh 2020, BST-18-011