Bewerbungsanschreiben: Fokussierung auf Aufgaben statt Lebenslauf-Nacherzählung

In Workshops rund um den Berufseinstieg und Bewerbungscoachings mit Geisteswissenschaftler:innen fällt immer wieder auf, dass viele ihre Anschreiben dazu nutzen, aus ihren Lebenslauf Stationen in ganzen Sätzen nachzuerzählen. Die Stationen sind so ausgewählt, dass die in der Ausschreibung erwähnten Anforderungen adressiert werden. Überspitzt gesagt könnte man lesen: „Siehe, ich bin wirklich qualifiziert.“ Da aber schon manche Studiengänge so lange Titel haben, dass sie sich über eineinhalb Zeilen erstrecken, und die für die Stelle referenzgebende Hausarbeit in ihrer Einschlägigkeit erläutert werden muss, werden die Anschreiben rasch sehr lang. Da bleibt kein Platz mehr für ein entscheidendes Element: den konkreten Bezug zu den im Stellenangebot genannten Aufgaben.

Der Aufgabenbezug im Anschreiben ist wichtig, weil er zeigt, dass du die spezifischen Anforderungen der Stelle verstanden haben und dich aktiv mit ihnen auseinandersetzt. Arbeitgeber:innen möchten wissen, ob die Bewerber:innen in der Lage und motiviert sind, die im Stellenprofil beschriebenen Aufgaben zu bewältigen. Sie schreiben die Stelle ja aus, weil es konkrete To-Dos gibt, und sie eine Person suchen, die diese erledigt. Umgekehrt zeigen dir die Aufgaben in der Ausschreibung auch, was dich im Alltag erwarten wird. Oft melden Studierende in Workshops zurück, sie könnten sich nicht für ein Berufsprofil entscheiden, weil sie nicht wüssten, wie der Alltag aussieht, und sie ja nicht überall ein Praktikum machen könnten. In der Aufgabenliste der Ausschreibung ist ein Hinweis darauf, wie der Alltag aussieht. Eine Bildungsreferentin beim Deutschen Roten Kreuz wird in ihrem Alltag u.a. Bildungsseminare konzipieren, organisatorisch vorbereiten, durchführen und nachbereiten. Eine Projektleitung im Bereich Studierendenförderung wird im Alltag u.a. mit Teamleitungsaufgaben befasst sein, also viel Planung, Kommunikation und viele Entscheidungen, und noch mehr Kommunikation als Schnittstelle zur Bereichsleitung.
Ein Anschreiben mit Aufgabenbezug dient dabei mehreren Zwecken:

  1. Beleg der Kompetenz: Es zeigt, dass Bewerber:innen relevante Erfahrungen und Fähigkeiten mitbringen, die direkt auf die Aufgaben übertragbar sind.
  2. Praktische Passung: Es gibt Einblick, wie die Bewerber:innen die Aufgaben angehen würden, und ermöglicht eine erste Einschätzung ihrer Arbeitsweise.
  3. Motivation: Der Fokus auf die Aufgaben zeigt, dass die Bewerber:innen sich mit der konkreten Rolle identifizieren und nicht nur einen generischen Bewerbungstext verwenden.
  4. Effizienz für Arbeitgeber:innen: Ein aufgabenbezogenes Anschreiben erleichtert die Entscheidung, da sofort ersichtlich ist, ob die Bewerber:innen die Bedürfnisse der Stelle erfüllen können.

Ein gutes Anschreiben, das die Aufgaben adressiert, wird zur ersten Arbeitsprobe. Es signalisiert Professionalität, weil eine Auseinandersetzung mit der Rolle stattfand, sozusagen eine gedankliche Vorwegnahme: Ich kann mich dabei sehen, wie ich diese Aufgaben ausführe.

Im Anschreiben legst du dar, ob du die Aufgaben, die mit der Stelle verbunden sind, erfüllen kannst und willst. Dazu gehört:

  1. Verständnis der Aufgaben: Haben du verstanden, worauf es ankommt?
  2. Konkrete Beispiele: Hast du in deiner bisherigen Laufbahn Erfahrungen gesammelt, die zeigen, dass du die Aufgaben bewältigen kannst? Das ist auch dann relevant, wenn du sie in einem anderen Kontext oder unter einer anderen Berufsbezeichnung erlernt oder ausgeführt hast. Die meisten Berufsbezeichnungen in unseren Branchen sind nicht geschützt und genau definiert.
  3. Motivation: Warum möchtest du genau diese Aufgaben übernehmen?

Nehmen wir an, die Stellenausschreibung verlangt die Übernahme von Kommunikationsmanagement und Projektmanagement. Du könntest als Berufseinsteiger:in so vorgehen:

  1. Einstieg mit direkter Nennung der Aufgabe aus der Ausschreibung: „Das Kommunikationsmanagement von [Organisation] zu übernehmen, reizt mich besonders, da ich sowohl in meiner studienbegleitenden Tätigkeit bei [Organisation] als auch ehrenamtlich bei [Organisation] sehr gern die Öffentlichkeitsarbeit koordiniert habe.“
  2. Aufgabenfokus: „Bei [Organisation] habe ich wöchentlich die Blogbeiträge und den Newsletter geplant und redaktionell betreut. Im Rahmen des Projekts […] war es meine Aufgabe, Pressemitteilungen zu verfassen und den Kontakt zu Medienvertreter:innen zu pflegen. Diese Erfahrungen möchte ich bei Ihnen einsetzen, um …“
  3. Motivation: „Was mich an Ihrer Organisation besonders anspricht, ist die Möglichkeit, Kommunikationsstrategien zu entwickeln, die nachhaltig wirken. Ihre Arbeit in [Themenfeld] sehe ich als eine spannende Herausforderung, der ich mich mit Kreativität und Engagement widmen möchte.“
  4. Schluss: „Ich freue mich darauf, die Aufgaben Ihres Kommunikations- und Projektmanagements zu übernehmen und mit meinen Ideen zum Erfolg Ihrer Organisation beizutragen.“
  • Lese die Stellenausschreibung aufmerksam: Welche Aufgaben werden konkret genannt? Im Coaching legen wir oft eine Tabelle an: linke Spalte: Liste der Aufgaben. Rechte Spalte: Ideen, wie sie beantwortet werden können – aus Berufserfahrungen, praktischen Studienanteilen, Selbststudium, Weiterbildungen, Ehrenamt usw. Natürlich kann hier auch ChatGPT (o.a.) bei der Zuordnung und bei der Einschätzung zur Passung unterstützen.
  • Arbeite mit Beispielen: Zeige, wie deine bisherigen Erfahrungen auf die Anforderungen, die sich aus der Aufgabenpraxis ergeben, passen.
  • Bleib bei den Aufgaben: Verzichte auf allgemeine Reflexionen über das Berufsfeld oder Bezüge zwischen Studium und Berufsfeld, die eindeutig konstruiert sind und sich schon beim Schreiben falsch anfühlen. Dann lieber frei heraus, z.B. „Im Studium bemerkte ich, dass ich größere Neigungen für [XY] habe. Darum steht für mich nun ein Wechsel an.“

Ein gelungenes Anschreiben ist mehr als eine Nacherzählung des Lebenslaufs. Es ist die Gelegenheit, sich in die spezifischen Aufgaben und Praktiken einer Stelle einzudenken. Indem du dem Aufgabenbezug vor die Nacherzählung des Lebenslaufs und einen (oft konstruierten) Bezug von Studieninhalten zur Stelle stellst, wird deutlicher, wie die Passung zur Stelle ist. Vielleicht entstehen genau bei diesem Abgleich und dieser Imagination ja auch konkrete Fragen – ideal für ein aktives Bewerbungsgespräch!
Ich drücke dir die Daumen für die nächste Bewerbung!

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