Future Skill: Stabilitätsfähigkeit

Um es gleich vorweg zu nehmen: Mit Stabilitätsfähigkeit ist nicht gemeint, dafür zu sorgen, dass alles so bleibt wie es ist, oder gar wieder so wird, wie es in vergangenen Zeiten war. Es meint die Fähigkeit, die Strukturen und Elemente zu identifizieren, zu bewahren und weiterzuentwickeln, die tragend sind und bei deren Verschwinden wichtige Ressourcen verloren, kritische Infrastruktur gefährdet und das Ergebnis von Veränderungsprozessen nicht mehr legitimiert wäre. Alle, die historisch arbeiten, kennen intuitiv diese wichtige Aufgabe. Wir haben sogar ein Wort für Haltung und Persönlichkeitsanteile, die dieser Fähigkeit zugute kommen: strukturkonservativ. Wobei es in diesem Beitrag nicht darum geht, dass es genüge, strukturkonservativ zu sei, um Stabilität in Veränderungsprozessen zu gewährleisten – aber es gibt Bezugspunkte.

Stabilität in Veränderungsprozessen zu gewährleisten bedeutet nicht, auf konservativen Positionen zu beharren und sich dem Change entgegenzustellen. Es ist die Fähigkeit, trotz äußerer Unsicherheiten und Veränderungen ein stabiles inneres und äußeres Fundament zu wahren – individuell und für das Team. Stabilitätsmanagement strebt danach, eine Balance zwischen Flexibilität und Beständigkeit zu finden, den Überblick zu behalten und kluge, gut begründete Entscheidungen zu treffen.

Im Archiv, Museum und anderen Orten des kulturellen Gedächtnis gehört Stabilitätsmanagement zu den Kernaufgaben, gleichfalls im Controlling und im Ressourcenmanagement. Auch beratende Berufe haben häufig einen stabilitätsbezogenen Anteil, wenngleich er subtiler ist und Change, Innovation, Entwicklung etc. die prominenteren Schlagworte sind.

Change erfolgt nicht mehr allein in zeitlich begrenzten Projekten, sondern ist ein permanenter Zustand geworden – durch technologische Innovationen, wirtschaftliche Umbrüche, globale Krisen und letztlich auch dank lebenslangem Lernen. Darum ist es oft die Fähigkeit, Stabilität im Veränderungsprozess zu wahren, die darüber entscheidet, ob wir in der Lage sind, Herausforderungen zu meistern oder uns von ihnen überwältigen lassen. Ob in Unternehmen, Hochschulen oder im individuellen Leben: Stabilitätskompetenz hilft uns, durch Unsicherheiten zu navigieren und dabei das Gleichgewicht zu behalten.

Hochschulen sind seit jeher einerseits Institutionen der Beständigkeit – Wissensinstitutionen, die langfristig, teils auch überzeitlich ausgerichtet sind. Andererseits waren sie auch immer schon Orte der Avantgarde. Und sie sind in der Praxis oft von organisatorischen, politischen und finanziellen Schwankungen betroffen, was sie in Anpassungs- und Entwicklungsprozesse zwingt. Sie brauchen daher stets eine gute Balance aus Veränderung und Stabilität. Doch wie bleibt man stabil, wenn sich die Bildungslandschaft und ständig ändern und schließlich auch Forschung Bestehendes herausfordert?

Stabilitätsmanagement an Hochschulen bedeutet, tragfähige Strukturen zu schaffen, die flexibel genug sind, um sich an neue Anforderungen anzupassen, aber stabil genug, um die langfristige Ausrichtung der Institution nicht zu gefährden. Es ist eine flankierende Perspektive in Hochschulchangeprozessen, und in der allgemeinen Innovationsunausweichlichkeit sicherlich nicht die populärste.

Nun haben aber viele Innovationen das Ziel, den Status Quo zu erhalten, wenn sich die äußeren Umstände ändern – z.B. digitale Lehre: nicht, weil man grundsätzlich die Lehre neu denken möchte, sondern um den „internationalen Anschluss“ nicht zu verpassen. Insofern lohnt es, ein gutes Auge für Innovationsparadoxien in Changeprozessen zu haben – so kann man auch Innovation und Stabilität verbinden.

Für Unternehmen ist Stabilität ein heikler Tanz. Auf der einen Seite müssen sie schnell auf Marktveränderungen reagieren, auf der anderen Seite sollen sie stabil genug sein, um nicht ständig im Krisenmodus zu operieren. Unternehmen, die in der Lage sind, diese Stabilität zu bewahren, schaffen ein Umfeld, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beruhigt und zugleich den notwendigen Raum für Anpassungen lässt. Vertrauen in Veränderungsprozesse ist dabei von zentraler Bedeutung – Führungskräfte, die dieses Vertrauen aufbauen, schaffen die Grundlage dafür, dass Mitarbeiter Veränderungen mittragen und die Organisation stabil bleibt. Stabilität im Sinne der Weiternutzung etablierter Ressourcen und Prozesse spart letztlich auch Geld.

So analysiert das Stabilitätsmanagement in Unternehmen praktischerweise das Wertschöpfungs- und Einsparpotenzial von Beständigkeit einerseits und Anpassung bzw. Innovation andererseits. Dafür ist gute Führung eine Gelingensbedingung; sie entwirft und trägt die strategische Ausrichtung. Und ein umsichtiges Management ist es nicht minder: Es schafft klare Strukturen, die Handlungs- und Entscheidungssicherheit für die Teams geben, mit hinreichend Spielraum für offene Kommunikation und neue Ideen. Es hat die Ressourcen im Blick, die nötig sind, um diese spannungsreichen Prozesse bewältigen zu können. 

Unsere Körper sind im Stabilitätsmanagement intuitiv meist ganz gut: im Tanz, beim Stehen im Bus, auf dem Rad. Sie fallen – hoffentlich – nicht um, weil sie mitgehen, sich bewegen und die Gelenke Stöße abdämpfen. Die größte Verletzungsgefahr resultiert aus der Starre.

Für das Selbstmanagement können wir ableiten, dass der Wunsch nach Stabilität in chaotischen Phasen nicht durch Unbeweglichkeit und Trotz erfüllt wird, sondern durch die Bewegungen, Handlungen, Gedanken, die uns in der Balance halten. Oft ist es leichter, wenn wir Ankerpunkte finden, die uns bei der Ausrichtung helfen – Pausen, Routinen, Traditionen, Werte, manchmal schlicht Regeln und Notwendigkeiten, auch Transzendenz. Körperliches Training bildet ebenfalls eine Voraussetzung, um beweglich und geschmeidig zu bleiben; es kann uns zurück in die Balance führen.

Du kannst also reflektieren,

  • Bei welchen Bewegungen, bei welcher Art von Sport erlebe ich mich in Balance?
  • Welche Handlungen schaffen für mich Klarheit und Stabilität?
  • Welche Gedanken bringen mich zur inneren Ruhe und helfen mir bei der Ausrichtung?

Auch eine Bestandsaufnahme kann hilfreich sein: Welche Routinen, Beziehungen oder Werte geben Dir Stabilität? Welche Bereiche sind flexibler? Dies mag Dir helfen, ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche Elemente in deinem Leben konstant bleiben und wo du offen für Veränderung sein willst.

Stabilität in Veränderungsprozessen erfordert eine feine Balance: Bewertungsfähigkeiten helfen dabei, zu analysieren, welche Elemente in der Organisation oder im Leben effektiv funktionieren und erhalten bleiben sollten. Gleichzeitig gilt es, notwendige Anpassungen vorzunehmen und Kontinuitätspläne zu erstellen, die auch in unruhigen Zeiten stabil halten.

Essentielle Komponenten des Stabilitätsmanagements sind:

  • Kompromissfähigkeit und Identifikation gemeinsamer Interessen – um die Akzeptanz von Veränderungen zu fördern und nicht als „Innovationsbremse“ stigmatisiert zu werden.
  • Beweglichkeit und Flexibilität in einem konservativen Rahmen – um Stabilität zu wahren, ohne starr zu werden.
  • Wertekompetenz und langfristiges Denken – um sicherzustellen, dass Veränderungsprozesse in Einklang mit den grundlegenden Werten und Zielen der Organisation stehen.

Ein effektives Stabilitätsmanagement umfasst auch detaillierte Planung und Notfallstrategien: Dazu gehören Feedback- und partizipative Prozesse, um alle Stakeholder einzubinden, und die Kommunikation bewährter Best Practices. So könnt Ihr sicherstellen, dass kritische Ressourcen zur Verfügung stehen und die Organisation auch in herausfordernden Zeiten sicher navigiert.

Kurz gesagt: Stabilität in Veränderungsprozessen zu gewährleisten bedeutet, das Fundament zu schützen, um die Beweglichkeit für notwendige Veränderungen zu ermöglichen.

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