10 Akquisetipps für freiberufliche Geisteswissenschaftler*innen

Wir hatten einen Beitrag zum Angebot von geisteswissenschaftlicher Freiberuflichkeit und einen zu Auftraggebern, der bereits die Überleitung der für viele heiklen Frage enthielt: Wie geht die Akquise? Ich selbst kenne zur Akquise – und Verkauf – allerlei Stolpersteine in meinem „Mindset“ gesammelt, von Kapitalismuskritik über das Gefühl, „mich“ zu verkaufen bis hin zum Stress nach einer Internetrecherche zum Thema Akquise, nach der ich fest davon überzeugt war, ohne Funnel werde das alles nichts, und dessen professionelle Einrichtung sei unter 20.000 Euro nicht zu haben. Ich habe sogar einmal bei einem Book Launch die Bücher unter dem Tisch versteckt, um die gute Atmosphäre nicht mit Verkaufstätigkeiten zu überschatten. Also: Das Verhältnis zu Akquise und Verkauf ist durchaus ausbaufähig.

Nun bin ich sicherlich noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen, aber ein paar Schritte weiter, und so möchte ich heute, wie angekündigt, 10+1 Ideen zur Akquise von Aufträgen für geisteswissenschaftliche Freiberufler*innen teilen. Los geht’s!

So hätten wir es gern – die Aufträge kommen zu uns! Pull-Akquise

1. Im beruflichen Netzwerk kommunizieren, dass Du offen für Aufträge bist, welche Art von Aufträgen es idealerweise sein sollten und auf welche Schlüsselworte und -situationen die Netzwerkpartner achten können, um Dich ins Spiel zu bringen.
Das klingt banal. Tatsächlich habe ich es aber erlebt, dass – vielleicht auch wegen des Mindsets, als Geisteswissenschaftler*in nicht so deutlich zu sagen, dass man auch Geld verdienen will/muss – viele Kommiliton*innen eben nicht aussprachen, dass Sie einen Auftrag (oder Job) suchen. Unsere Gesprächspartner*innen können es nicht ahnen. Sie können nur für uns aktiv werden, wenn sie wissen, wie sie uns helfen können.
Denn das ist die gute Nachricht: Die meisten Menschen helfen gern. Sie können nicht immer sofort für einen Auftrag sorgen, aber sie können im richtigen Moment, vielleicht ein paar Wochen nach dem Gespräch, Deine Kontaktdaten weitergeben. Dafür ist es wichtig, einen klaren Kontaktweg bauen, zu Beginn etwa eine statische Website mit Kontaktdaten und die Visitenkarte, auf der Dein Angebot vermerkt ist, damit sie weitergegeben werden kann.

2. Du hast Dich im Netz und in der Branche gut auffindbar gemacht, mit Blog, Artikeln, Workshops, SEO, verschiedenen Formen von Sichtbarkeit und Netzwerkarbeit. Bei LinkedIn, Xing und auf Deiner Website steht Dein Angebot (nein, nicht zuerst Deine Studienfächer! Kundinnen beauftragen „Text“, nicht „Germanistik“ J). Nun brauchst Du nur noch gelingende Kontaktwege und Prozesse. Formular pflegen, Profile aktuell halten, Schlüsselbegriffe nach Bedarf anpassen, weitere Formen von Pressearbeit, klare Positionierung usw.

3. Du registrierst Dich auf Freelancer-Plattformen, z.B.  Malt oder Freelancer, Freiberufler & Projekte | freelance.de

4. Du bittest Freund*innen, Nachbarn und Kund*innen, in ihrem jeweiligen Umfeld die Ohren für Deine Angebote offen zu halten und Dich zu empfehlen. Siehe Punkt 1, nur eben im privaten Umfeld.

5. Du teilst etablierten Kolleg*innen mit, dass Du zur Verfügung stehst, sollten sie Unterstützung in Auftragsspitzen, bei Krankheit, im Urlaub oder zur Entlastung bei komplexen Projekten benötigen. Auch hierfür ist es gut, in Netzwerken zu sein – so können Mails mit dem Betreff „Freie Kapazitäten Korrektat/Lektorat im September“ (ggf. nach Absprache mit der Admin) über Listen verschickt werden.

Pull-Akquise ist aus meiner Erfahrung etwas, das immer „mitlaufen“ sollte. Es ist wichtig, dass meine Netzwerkpartner*innen wissen, für welche Art von Aufträgen ich zur Verfügung stehe. Nur dann können sie mich gut empfehlen, beauftragen oder fruchtbare Kontakte herstellen. In der Regel kann ich diese Art von Akquise nicht so gut steuern, weil offen bleibt, wann und ob im Netzwerk Bedarf ist. Ich stelle lediglich sicher, dass ich im Bedarfsfall kontaktiert werde.

Wir holen uns die Aufträge. Vielleicht erst schüchtern und selbstkritisch, aber zunehmend souverän

Die „klassische“ Akquise (oder Push-Akquise) setzt darum auch auf mehr Kontrolle im gesamten Prozess. Was könnt Ihr tun?

6. Eine Neukundengewinnungsstrategie entwickeln: Welche Kund*innen will ich für welches Produkt gewinnen? Welcher Kontaktweg eignet sich am besten? Was brauchen die Angesprochenen, um mich beauftragen zu können?

7. Kaltakquise auf dem Postweg: Ihr recherchiert potenzielle (Geschäfts-)Kunden, und, wichtig: auch den Geschäftszweck dieser Kunden, und sendet ihnen Werbematerial, z.B. einen Flyer mit Eurem Angebot, das zu ihrem Geschäftszweck passt. Z.B. recherchiert Ihr ein Institut für Erwachsenenbildung, deren Angebot, und stellt Euch selbst als Dozentin für das Fachgebiet XY vor. Für Privatkunden gelten besondere Schutzbestimmungen.

8. E-Mail-Akquise: Mit der Zeit könnt Ihr Euch eine E-Mail-Liste aufbauen, über die Ihr Akquisemails (Infos zu weiteren Angeboten, Upsells, Aktionen, Newsletter usw.) verschickt. Diese Art von Akquise ist „lauwarm“, insofern es der Zustimmung der Empfänger*innen bedarf, um Werbe-E-Mails zu verschicken. Grundsätzlich haben diejenigen, die sich registrieren, also schon das Bewusstsein, dass es sich bei Deinen Nachrichten um Marketing- und ggf. auch Akquisemails handelt – und sie haben sich entschieden, diese empfangen zu wollen. Hier findest Du Informationen zu Akquise-E-Mails: Warum diese Kaltakquise-Email Spam ist und wie du es besser machst (sandraholze.com).

9. Jenseits-der-Strategie-Akquise: Ich bin ein Strategiefan, doch ich weiß auch, dass jede Strategie den Schwachpunkt „blinder Fleck“ hat. Irgendwo ist immer eine Fehleinschätzung, mangelndes Wissen, Bias. Darum habe ich es als erfolgreich erlebt, gezielt von meiner Strategie abzuweichen, etwa: Mein Angebot zielt überwiegend auf Hochschulabsolvent*innen, bundesweit und über digitale Kanäle. Also tut es gut, die bunt gemischte Nachbarschaft per Wurfzettel darüber zu informieren, dass eine Intellektuelle von Nebenan unter ihnen ist, und für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie ein Buch schreiben, sich als Freiberufler*In selbstständig machen, einen beruflichen Veränderungsprozess anstoßen oder ein Coaching haben – oder verschenken –  möchten, ich zu Diensten stehe.

10. Ausschreibungen nutzen: Für Freiberufler*innen ist es mitunter nicht so leicht wie für Gewerbetreibende, sich auf öffentliche Ausschreibungen zu bewerben, aber allmählich lockern sich hier die Ersthürden wegen der Sorge um Scheinselbstständigkeit und verschieben sich in Formalitäten zur Feststellung der existenzsichernden Selbstständigkeit. Darum kann es lohnen, regelmäßig auf Ausschreibeplattformen oder den Ausschreibeseiten Eurer Kommunen vorbeizuschauen, ob dort Aufträge ausgeschrieben sind, für die Ihr ein Angebot abgeben könnt. z.B. Vergabemarktplatz | Land NRW | Vergabemarktplatz NRW, Ausschreibungsplattform. (ausschreibungen-deutschland.de), Aktuelle Ausschreibungen und Aufträge für Ihre Region! (deutsches-ausschreibungsblatt.de) Von privaten Anbietern ausgeschriebene Anzeigen sind häufig kostenpflichtig.

Ernsthaft? Was ist mit “ohne social media geht gar nichts”?

Jetzt stand hier gar nichts von Community Marketing, um aus Kontakten Kund*innen zu machen, nichts über Funnels und skalierbares Online-Business – nein. Jene haben ihre Berechtigung und sind eine Option, auf die wir wieder einmal gesondert schauen können, durchaus mit der Frage, wo die Grenze zwischen Freiberuflichkeit und Gewerbe bei skalierbaren Produkten verläuft. Für die meisten geisteswissenschaftlichen Gründungen, die ich begleitet und/oder beobachtet habe, fand Akquise überwiegend in einer Nische statt, die von persönlich-professionellen Beziehungen geprägt war und ist. Durchaus sind die KOntaktwege digital geworden, auch das Netzwerken hat digitale Komponenten und Elemente der Kundenbeziehung können automatisiert sein. Aber letztlich bleiben viele 1:1-Beziehungen. Das hat durchaus etwas damit zu tun, dass die Dienstleistung, die ein*e Freiberufer*in erbringt, per definitionem von Qualifikation, Expertise, eigener Forschung, Haltung und häufig Einzigartigkeit geprägt ist, sodass Aufträge sehr genau abgesprochen werden und auch ein Ersatz für die Expertise nicht ohne weiteres zu finden ist. Sehr viele geisteswissenschaftliche Freiberufler*innen sind fachliche Spezialist*innen und organisatorische Generalist*innen, und so sind auch ihre Dienstleistungen von Spezialisierung geprägt – und auch darum nur bedingt skalierbar. Darum findet die Akquise, zumindest am Anfang, eher in fachlicher und sozialer Nähe statt. Entsprechend funktioniert die Akquise häufig gut in der Kombination aus klarer Kommunikation des Angebots, gelingendem Kontaktweg und persönlicher Ansprache und Verbindlichkeit. Und darum müssen Freiberufler*innen sich häufig auch neu aufstellen oder neue Beziehungen aufbauen, wenn der*die Ansprechpartner*in z.B. in einem Museum oder bei einem Bildungsträger ausscheidet.

Wer Lust hat, das Thema zu vertiefen, dem*der sei die Neuauflage von Wie überlebe ich als Künstler*in? bei transcript Verlag (transcript-verlag.de) empfohlen. Viele Tipps können wir aus der Kunst auf die Geisteswissenschaften übertragen.

Wann brauche ich Beratung?

Zu Akquise, Positionierung, Skalierbarkeit als Einzelunternehmer*in/Freiberufler*in gibt es aktuell eine unüberschaubare Zahl von Angeboten im Netz, teils wirklich teuer. Ich habe selbst an einigen teilgenommen, darum möchte ich abschließend meine Einschätzung abgeben: Wann sollte ich ein umfassendes Coaching oder eine Beratung über die klassische (kostenlose) Gründungsberatung hinaus buchen? Wenn unklar ist:

  • Was ist meine Positionierung?
  • Was genau ist mein Produkt, also: Was verkaufe ich (Dienstleistung)? Und was verkaufe ich wirklich (Wertschöpfung)?
  • Wie kann ich gut zwischen Persönlichkeit und Produkt trennen, um nicht mich zu verkaufen, sondern meine Dienstleistung?
  • Was ist die für mich beste Akquisestrategie?
  • Wie komme ich ins Umsetzen?

Natürlich können wir diese Fragen auch bei Brotgelehrte bearbeiten. 😉 Coaching – Brotgelehrte

Hinzukommen Fragen zum Status als Freiberufler*in, die z.B. mit der Steuerberatung geklärt werden können. Darüber hinaus würde ich eher dazu raten, ins Handeln zu kommen und Kundengewinnung auszuprobieren, als übermäßig zu reflektieren und zu planen. Letztlich befinden sich Strategie und Praxis doch meist in einer Schaukelbewegung gegenseitiger Anpassung.

Ich wünsche viel Erfolg!

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