19 Juni 2021, 11.30 Uhr bis 18.30 Uhr

STICKS & STONES ’21 – Jun 19 | Hopin

Tickets: kostenlos

Was gab’s?

Die Sticks and Stones Jobmesse für Menschen aus der LGBTQIA+-Gemeinschaft wird von der Uhlala Group ausgerichtet, dem führenden LGBT+ Sozialunternehmen Deutschlands. Seit 2009 setzt sich das Unternehmen für vielfältige Projekte und diverse Marken ein. Unter anderem richtet Uhlala folgende Projekte aus: Events, Workshops, Trainings, Audits, Zertifizierungen, Öffentlichkeitsarbeit, Consulting. Hier geht’s zu den Projekten: Marken & Projekte | UHLALA Group.
Die Jobmesse richtet sich sowohl an Menschen aus der community als auch an „straight allies“. Sie findet seit 2009 jährlich in Berlin statt, seit letztem Jahr digital bzw. in einem hybriden Format.

Mit meinem sog. regular visitor ticket habe ich Zugang auf alle Bereiche, egal ob Panel, Expo oder Networking. Es gibt noch eine weitere Ticket-Kategorie (ebenfalls kostenlos), die es ermöglicht, den Besuch gezielter und zielstrebiger zu gestalten: Mit dem sog. networking Ticket ist es laut Website noch einfacher, Personen aus einer ausgewählten Branche zu treffen und Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel beim Chatroulette.

Auf der Seite „reception“ gibt es einen Überblick, was die Themen, Diskussionen, Speaker, „booths“ und Coaching-Sessions angeht. Auf den „stages“ kann man sich Vorträge von unterschiedlichen Personen anhören, darunter Themen wie „10 Karriere-Tipps, die ich als Berufs-Einsteiger gerne gewusst hätte“ und „Konflikte auf unterschiedlichen Ebenen wahrnehmen und reframen“. Es gibt auch einige Vorträge, die sich im speziellen mit unserer veränderten Arbeitssituation seit Beginn der Pandemie beschäftigt, wie z.B. „Virtuelle Energizer“, bei dem es um Strategien geht, wie man Teams digital motivieren kann. Insgesamt überrascht es mich ein wenig, wie wenig über Themen wie Home-Office und digitale Lösungen im Bereich Arbeit und Studium gesprochen wird.

Meine Erfahrung

In den „booths“ der verschiedenen ausstellenden Unternehmen sind Menschen online versammelt, mit denen man sich über die Firma unterhalten kann – in dem Sinne unterscheiden sich die digitalen „booths“ nicht viel von den analogen Ständen in einer Messehalle.

Ich wollte mich eigentlich überall mal einklicken und einfach ein wenig zuhören. Der erste Name, der mir ins Auge gesprungen ist, war Bertelsmann. Als Geisteswissenschaftlerin, Angestellte im EireVerlag// Verlag Menne & Töchter und Vielleserin natürlich ein Name, der bekannt war: Bertelsmann, die machen auch Bücher! Nun, in die „booths“ kommt man mit einem einzigen Klick, und ich wusste nicht, dass sofort jede anwesende Person meinen Namen sehen kann, sobald ich den Chat betrete. Ich wurde also gleich freudig mit „Hallo Anna!“ begrüßt. Die Anwesenden waren alle freundlich und hatten hinter ihre angezeigten Namen auch ihre Pronomen geschrieben, was ich inklusiv und hilfreich fand. Nach einer kurzen Vorstellrunde wurde ich gefragt, ob ich Fragen oder Interesse an einem privaten Chat mit einem der Anwesenden haben würde. Und es war tatsächlich jemand dabei: Lars Fröhlich (er/ihm), der als Assistent der Presseleitung bei Penguin Random House arbeitet.

Penguin Random House und be.queer

Lars und ich haben uns geduzt, was ich im Chat-Format sehr angenehm fand. Wir haben uns in erster Linie über das Mitarbeiternetzwerk be.queer unterhalten, in dem er Gründungsmitglied und Ansprechpartner ist. be.queer wurde 2017 gegründet. Das Netzwerk setzt sich dafür ein, dass Menschen aus der LGBTQIA+-Gemeinschaft ein sicheres und schönes Arbeitsumfeld bei Bertelsmann haben – das Netzwerk fördert insgesamt ein offenes Arbeitsumfeld für alle Mitarbeiter*innen. Lars hat erzählt, dass auch Praktikant*innen und Volontär*innen willkommen sind, was für mich und meinen potenziellen Berufseinstieg natürlich schön zu hören war.

Bertelsmann ist außerdem Mitglied von „Prout at Work“, einer Stiftung für Arbeitgeber*innen, die sich für eine offene Arbeitswelt einsetzen. 2019 war Bertelsmann zum Beispiel auf dem CSD in Köln vertreten, es gab ein paar Fotos im Chat. Ich habe Lars außerdem gefragt, wie er den Umgang mit Pandemie-bedingten Änderungen seitens Bertelsmann empfunden hat – Lars hat erzählt, dass es bei ihm schnell und problemlos möglich war, im Home-Office arbeiten zu können. Momentan wird darüber beraten, wie man die Leute wieder sicher ins Büro zurückholen kann, aber laut Lars wird niemand „gezwungen“, das Home-Office zu verlassen.

Mir ist im digitalen Format aufgefallen, dass ich anders agiere als im persönlichen Gespräch: Ich hätte Lars noch gerne über bestimmte Projekte gefragt und zu einigen Punkten nachgehakt, im Chat kam mir das aber unpassend vor. Er hat mir am Ende noch vorgeschlagen, dass vielleicht ein Einstieg als Assistenz im Lektorat zu einer Lektorinnen-Stelle führen kann, und mich dazu ermutigt, mal in das Karriereportal von Bertelsmann reinzuschauen.

Infos zu Prout at Work: Start – Prout at Work

Gründung be.queer: Mitarbeiternetzwerk „be.queer“ gegründet – Bertelsmann SE & Co. KGaA

Schlussbeobachtungen

Die Online-Messe war insgesamt technisch sehr gut aufgebaut; ich hatte keinerlei Probleme bei den Streams oder bei den Chats, auch der Aufbau der Website war übersichtlich und logisch. Ein Willkommens-Guide hat meiner Meinung nach gefehlt, wie ein Lageplan, wenn man auf eine analoge Messe geht: Wo geht’s lang, welche Stände sind wo, wie geht’s dahin und was erwartet mich? Und, ganz wichtig: Internet-Etikette auf einer online-Messe. Vielleicht sind das nur sehr persönliche Präferenzen meinerseits, aber ich hätte mich darüber gefreut zu wissen, dass sofort alle Teilnehmenden meinen Namen und Aktivitäten sehen. Die Vorträge, in die ich reingehört habe, haben mich tatsächlich leider nicht so umgehauen, das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich solche Messevorträge immer ein wenig oberflächlich finde, da sie sehr kurz und durchgetaktet sind.

Aber ich fand es insgesamt sehr schön, einfach viele verschiedene neue Menschen aus unterschiedlichen Branchen zu sehen. Und nur weil ein Vortrag mir nicht gelegen hat, heißt das ja noch lange nicht, dass mich nicht andere Themen derselben Person interessieren können.

Insgesamt war die Messe weder auf Studierende der Geisteswissenschaften noch auf die einer anderen Studienrichtung ausgerichtet – ebenfalls ein Pluspunkt. Allerdings gab es nur eine begrenzte Anzahl an teilnehmenden Firmen, bei der man als Geisteswissenschaftlerin sofort wusste: Aha, das ist ja interessant, gleich mal rein in die „booth“. Bei Konzernen wie AXA, der Deutschen Bahn, Tik Tok und der European Central Bank wäre es vielleicht an einem analogen Messestand unverbindlicher gewesen, mal reinzuschnuppern – in der digitalen „booth“ fühlt man sich ein wenig wie auf dem Präsentierteller im Chat, es sei denn natürlich, man fragt sofort nach einem privaten Chat. Im Zweifel muss man ein wenig Wartezeit mitbringen.

Die Jobmesse bietet einen gewissen Freiraum für LGBT+-Menschen, die sich zum Teil mit Fragen und Hindernissen beschäftigen müssen, die wichtig für den Arbeitsalltag und die eigene mentale Gesundheit und Unversehrtheit sind – und die sich heterosexuelle, cis Männer und cis Frauen nicht fragen müssen. Was passiert zum Beispiel, wenn ich auf eine Dienstreise in ein Land geschickt werde, das meine Sexualität oder Identität nicht anerkennt, oder sogar unter Strafe stellt? Kann ich davon ausgehen, dass alle Menschen auf meiner Arbeit meine Genderidentität und damit auch meine Pronomen respektieren? Kann ich mich frei und ohne Einschränkungen so ausdrücken, wie ich bin, oder wird dies von der Arbeitskultur nicht begünstigt? Firmen, die bei der Messe mitmachen setzen zumindest ein Zeichen dafür, dass sie einen diversen Arbeitsplatz begrüßen und sicherstellen wollen. Das heißt natürlich nicht, dass die Firmen fehlerfrei sind, aber dass ein Bewusstsein dafür geschaffen wurde, dass Menschen aus der LGBTQIA+-Gemeinschaft auf andere, zusätzliche Dinge bei der Jobsuche achten müssen als andere.

Ich würde mich freuen, nächstes Jahr wieder auf die Messe zu gehen – allerdings gerne wieder analog. Das, was nämlich leider wirklich gefehlt hat, war das Gefühl von Erlebnis und Zusammensein. Und natürlich die Food Trucks.

Interessante neue Leute oder Firmen, die ich kennengelernt habe:

Anna Graefer, Gründerin: Diversity & Inclusion | Unconscious Bias | GenderIQ

Katrin Klemm, Storycoach: Story-Coaching & Training Hamburg | Für Dich+ Dein Team | Katrin Klemm

Maja Bogojević, Feministische Sozialwissenschaftlerin & Antidiskriminierungstrainerin: erklär mir mal… (@erklaermirmal) • Instagram-Fotos und -Videos

Text von Anna Lemke

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