von Anna Helene Lemke 

Der Wunsch, mit Büchern zu arbeiten entspringt häufig der Freude am Lesen. Der nächste spannende Krimi liegt schon auf dem Nachttisch bereit, der kommende Abschluss einer Fantasy-Trilogie wird mit Spannung erwartet … warum also nicht das Hobby zum Beruf machen? Die Arbeit in einem Verlag ist vielseitig, es gibt Studiengänge und Ausbildungsberufe und auch Quereinsteiger haben keine schlechten Chancen. Zu den klassischen Studiengängen gehören die philologischen Studiengänge wie Germanistik oder Anglistik, aber auch Buchwissenschaft, Medienwissenschaften, Verlagswirtschaft und Medienmanagement. Einige Universitäten bieten Masterstudiengänge an, die sich auf die Arbeit in Verlagen spezialisieren (z.B. Literatur und Medien an der Universität Bayreuth und Medienautor an der Universität Stuttgart). Zu den Ausbildungsberufen gehören Medienkaufmann/-frau in Digital und Print und BuchhändlerIn. Besonders umfangreich informiert der Börsenverein des Deutschen Buchhandels auf www.boersenverein.de, der Verband der Verlage, Buchhändler und Zwischenbuchhändler in Deutschland. Also alles ganz einfach?


Besonders bei geisteswissenschaftlichen Studiengängen hören Studierende oft die Worte: „Auf dem Arbeitsmarkt sieht es momentan ganz schlecht aus. Studiere doch lieber was mit Technik, Ingenieur oder so“. So oder so ähnlich. Und es stimmt; Studierende, die sich für geisteswissenschaftliche Studiengänge entscheiden, tun dies oftmals aus Überzeugung und Liebe zum Fach, weniger aus wirtschaftlichen oder finanziellen Gründen. Das heißt aber nicht, dass Geisteswissenschaftler generell schlechter dastehen als andere. Genau über dieses Thema diskutieren z.B. Gregor Fabian, der am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung die Werdegänge von Absolventen erforscht, und Oliver Koppel, der als Volkswirt beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln arbeitet, in einem Artikel der ZEIT Campus („Sind Germanisten selber schuld?“ von Nadja Kirsten, 11. März 2019, 08:03 Uhr – ZEIT Campus, 13. November 2018). Sie kommen zu einem interessanten Ergebnis: Geisteswissenschaftlern fällt der Einstieg in den Beruf seit Langem schwerer als Naturwissenschaftlern (hohe Konkurrenz, vergleichsweise wenige Stellen), doch er gelingt. Und die Arbeitslosenquote liegt unter der allgemeinen Quote von 5%. Was GeisteswissenschaftlerInnen rettet? Generische Fähigkeiten, ein breites Interessenspektrum und der Wunsch, nicht nur Geld zu scheffeln, sondern Arbeit mit Werten zu verbinden. Bei einem Punkt sind sich die beiden Männer einig: GeisteswissenschaftlerInnen verkaufen sich oft unter Wert.
Die Aussichten sind also nicht schwarz, sondern eher grau. Wie gelingt der Einstieg in den Verlag? Um realistisch und zukunftsorientiert denken zu können, lohnt sich ein Blick auf die Verlagslandschaft in Deutschland. Es gibt insgesamt fünf Arten von Verlagen:

  1. Konzernverlage (Wirtschaftsunternehmen, teils sogar Aktiennotiert oder Multimedial) sind die „Big Player“ in der Verlagslandschaft: es gibt ca. 30 Konzernverlage, die 80% des Buchverkaufs bestimmen. Sie bieten Jobs in eigenen Abteilungen oder Tochterunternehmen an. Das Veröffentlichen von Büchern wird arbeitsteilig geregelt, und die Einstiegsverfahren werden über Personalabteilungen abgewickelt. Dazu gehören Verlage von Random House, Holtzbrink, Bonnier etc.
  2. Mittelständische Verlage sind Wirtschaftsunternehmen rund ums Kulturgut Buch und haben keine strenge Konzernstruktur, auch wenn sie mit verschiedenen Abteilungen arbeiten. Deren Mitarbeiter sind oft persönlich zuständig, die Stellen sind nicht doppelt besetzt. Der Einstieg gelingt über Volontariate und Netzwerke. Es gibt ca. 250-1000 Unternehmen in Sparten, die teils hochspezialisiert sind. Für Geisteswissenschaftler kommen vielleicht 150-250 als Arbeitgeber in Frage, die auch fachaffine Tätigkeiten fordern. Dazu gehören: Bastei Lübbe AG, HarperCollins Germany, Jahreszeiten Verlag etc.
  3. Kleinverlage haben einen hohen idealistischen Anteil im Wirtschaftsunternehmen und machen den größten Anteil in der Verlagslandschaft aus: über 8000 Kleinverlage gibt es in Deutschland. Oft gehören nur 1-3 Personen zu dem Unternehmen, d.h. die Arbeitsprozesse sind nicht arbeitsteilig. Diese kleinen Verlage beziehen ihr Selbstbewusstsein gerade aus der Unabhängigkeit von den Konzernen; dies ermöglicht ihnen, alternativ, Wissenschaftsnah oder zugeordnet zu anderen Wirtschaftsbetrieben zu arbeiten. Gefragt sind insbesondere Menschen mit vielen verschiedenen Qualifikationen. Sie haben oftmals einen hohen finanziellen Druck aufgrund ihrer Größe und Spezialisierung, und sind oft querfinanziert. Eine kleine Auswahl findet man z.B. auf http://kleinfairlage.de/kleinverlage.
  4. Kleinstverlage oder Selfpublishing haben keinen klaren Einstiegsweg, bieten dafür aber umso mehr Freiheit: hier ist der Autor gleichzeitig auch Verleger. Zu den sehr unterschiedlichen Geschäftsmodellen gehören: „Autorpreneur“, Hobbyverlag, Nebentätigkeiten etc. Die Selbstständigkeit bedeutet zwar, volle Kontrolle über alle Entscheidungen zu haben, sie ist aber auch zeitaufwendig und oftmals stressig. Die größten deutschen Selfpublishing-Portale sind: Nookrix, neobooks, Epubli und tribox (http://www.verlagederzukunft.de/die-self-publishing-revolution/).
  5. Bei reinen eBook-Verlagen (virtuell, oder Komponenten) ist der Kulturanteil mitunter nicht vorhanden. Es handelt sich um reine „Techfirmen“ oder Komponenten von z.B. Amazon. Gefragt sind Kaufleute und Programmierer.

BücherFrauen e.V. hat zum Arbeitsmarkt rund ums Buch ein paar Zahlen bereitgestellt: Der Verein ist ein Branchenverband, der die Interessen von Frauen vertritt, die angestellt, freiberuflich, oder als Selbstständige in Berufen rund ums Buch arbeiten. Ihre Studie liefert einen Überblick über den Markt und wurde im Buch „MehrWert – Arbeiten in der Buchbranche heute“ (Ulrike Helmer Verlag, 2010) veröffentlicht. An der Studie haben 1.234 „Berufstätige im Buchhandel und (Buch-)Verlagswesen“ teilgenommen (87% Frauen, 13% Männer). Durch Unstimmigkeiten bei der Anzahl der in Deutschland existierenden Verlage und die Fokussierung auf eine breitgefächerte Berufsgruppe und nicht etwa einen einzelnen Beruf, verfolgt die Studie nicht das Ziel, repräsentativ zu sein. Die Ergebnisse sind trotzdem interessant und bilden verschiedene Trends in der Branche ab.
Sie zeigt, dass die meisten Befragten als Angestellte in einer GmbH arbeiten (64%), darauf folgen die in freier Tätigkeit (21%), Angestellte einer AG (Aktiengesellschaft) und KG (Kommanditgesellschaft) oder OHG (Offene Handelsgesellschaft, jeweils 4%).
Die Befragten wurden außerdem zur Mitarbeitergröße in den Unternehmen befragt: Die Tendenz der Antworten deutet auf eine Häufung kleiner bis mittelständischer Unternehmen hin. 31% gaben an, in einem Unternehmen mit 10 bis unter 50 Mitarbeitern zu arbeiten, darauf folgen 18%, die in einem Unternehmen mit unter 10 Mitarbeitern arbeiten. Es folgen in kleinen Abständen: 15% bei 50 bis unter 100 Mitarbeitern, 14% bei 100 bis unter 200 Mitarbeitern usw. Nur 5% gaben an, in einem Unternehmen mit über 1000 Mitarbeitern zu arbeiten.
In einem weiteren Teil der Studie wurde nach den Tätigkeitsbereichen gefragt. Im Berufsfeld Verlag gaben die Befragten folgendes an: 18% arbeiten als festangestellte LektorInnen, 15% als freiberufliche LektorInnen, 15% im Bereich Vertrieb/ Marketing/ Werbung, 5% arbeiten jeweils in den Bereichen Pressearbeit und Verlagsinterne Herstellung, 4% arbeiten jeweils in den Bereichen Verlagsleitung und Rechte/ Lizenzen. Weitere Bereiche mit niedrigen Prozentzahlen sind Verlagsvertretung (festangestellt und frei), Assistenz der Verlagsleitung und Freie Herstellung.
Zumindest in den Kategorien 1 bis 4, und besonders in der zweiten Kategorie, sind GeisteswissenschaftlerInnen gefragt, als Lektoren, Buchhändler, Redakteure, Literaturagenten, Verlagsvertreter, Mediengestalter etc. Wie gelingt der Einstieg in die Verlagsarbeit, wenn die Möglichkeiten so vielfältig sind? Es scheint weniger um den Weg in den Verlag und mehr um die allgemeinen Qualifikationen zu gehen. Gefordert sind flexible Multitalente, die durch Praktika und Nebenjobs Berufserfahrungen sammeln konnten, die keine Scheu vor Multitasking haben und die vor allen Dingen gut „netzwerken“ können, da viele Jobausschreibungen auch intern vergeben werden. Entmutigen sollten diese Zahlen niemanden. Schließlich haben alle Berufe, egal ob Maschinenbau-IngenieurIn oder GermanistIn, eins gemeinsam: ohne Engagement geht gar nichts.
Tipps für Ausbildungen und Studiengänge: http://www.boersenverein.de/de/home/ausbildung/353983
Jobbörse des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: https://www.boersenverein.de/de/portal/Bildung_und_Beruf/185132
BücherFrauen e.V.:
https://www.buecherfrauen.de/startseite/
ZEITCampus Artikel:
https://www.zeit.de/campus/2019/s1/chancengleichheit-berufseinstieg-arbeitsmarkt-geisteswissenschaft-naturwissenschaft
Und ein persönlicher Buchtipp:
„Feminist Fightclub – Wie sich Frauen am Arbeitsplatz erfolgreich durchboxen“ von Jessica Bennet (Bastei Lübbe, 2018)

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