Karsten Strack vom Lektora-Verlag hat mich während einer Podiumsdiskussion gefragt, ob sich GeisteswissenschaftlerInnen mit der Digitalisierung schwertun und welche Auswirkungen sie auf ihre Berufstätigkeit hat.
Schneller Rückzug in „Das ist komplex“. Also sortiere ich mal.
Die Digitalisierung verunsichert das klassische Selbst- und Fremdbild der Berufstätigkeit von GeisteswissenschaftlerInnen. Im Kaffeepausentalk gesteht doch die eine oder der andere, Geschichte und Germanistk etc. zu studieren, um Mathe und Computern auszuweichen. Freiberufler, die über Beziehungen empfohlen werden, steigern mitunter ihren Wert, wenn sie nur über Telefonfestnetz und die gelbe Post zu erreichen sind, und die ihrerseits Briefe mit der Hand schreiben oder auf der Schreibmaschine tippen. Das war eine Weile lang altbacken; inzwischen sind Vintage und Retro wieder Trends, und welche Disziplinen könnten sie besser bedienen als die Geisteswissenschaften mit ihren ganzen Abteilungen von Modernisierungsverweigerern?
Aber es gibt natürlich auch ganze Abteilungen, die nicht nur Digitalisierung mitmachen, sondern eigene Deutungen und Anwendungen entwerfen. Studiengänge oder -schwerpunkte „Digital Humanities“. Interdisziplinäre Projekte von Philosophie und Informatik, Computerlinguistik, Computergenealogie, Archivontologien, bildgebende Verfahren, Übersetzungs- und Tutorenprogramme usw.
Für klassische Berufsfelder bedeutet Digitalisierung veränderte Tätigkeiten. Die Kommunikation erfolgt elektronisch. Die Präsentationen werden von Programmen unterstützt. Die Texterstellung läuft für die meisten mindestens hybrid, also am PC und per Hand oder Diktat. Die Verwaltung erfolgt über Systemlösungen. Recherche ohne Suchmaschinen? Nicht mehr denkbar. Klassische Tätigkeiten sind digital dynamisiert, und zwar auf allen Ebenen, die im sog. SAMR-Modell beschrieben werden:

  • digitale Produkte ersetzen herkömmliche Arbeitsmittel (Substitution),
  • sie erweitern und verbessern Arbeitsabläufe und Tätigkeiten (Augmentation),
  • sie verändern Tätigkeitsprofile und Workflows (Modifikation),
  • sie schaffen neue Aufgaben und Tätigkeiten ([Re]Definition).

Dazu gehören E- und Blended Learning. Datenmanagement. Virtualisierung. Animation und Gamification. Outsourcing. Digitale Kommunikation und virtuelle Teamarbeit. Digitale Wissensproduktion und -repräsentation.
Kennen Sie noch eine Geisteswissenschaftlerin, die nicht mindestens ¾ ihrer Arbeitszeit auch digital tätig ist?
Und digitale Technik schafft mit den neuen Aufgaben auch für GeisteswissenschaftlerInnen gänzlich neue Berufe (einige sind hier im Blog ja auch schon vorgestellt):
Social Media Management
Technischer Redakteur und technische Übersetzerin
Bloggen.
Gamedesign (hm, der Artikel ist von 2014).
eBookVerlag und -Autorschaft
andere Herstellung digitaler Güter
SEO (externer Link, 2013).
Indexing
Kommunikationsdesign
eCommerce – amazon, google, bukama usw.sind ja auch Arbeitgeber
BegleiterIn Digitaler Nachlass.

Dies ist eine Vorabveröffentlichung aus
Brotgelehrte 2. Perspektiven für GeisteswissenschaftlerInnen.

Erscheint 15.10.2017

CoverBd2

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