Schusswaffen unter dem Weihnachtsbaum hatten wohl in dieser Saison Konjunktur. Und Sie kennen vermutlich den Slogan „Bildung statt Rüstung“, wenn es um die Verteilung von Haushaltsmilliarden geht. Folgen wir doch einfach mal dem Weg des Geldes.
So schaute ich also, wo Arbeitsplätze sind, auch wenn’s mir nicht gefällt. Ich persönlich möchte über die Rüstungsindustrie gar nicht so unbedingt viel wissen, ich reg mich nur auf; mir reicht Kabarett als Ablass, und je weniger ich en Detail weiß, desto besser kann ich mich moralisch erheben und höhnen, dass Waffenexporte schließlich Arbeitsplätze schaffen und darum unantastbar sind.
Sie schaffen allerdings Arbeitsplätze. Das Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR hat Daten für die Rüstungsindustrie erhoben und zuletzt für 2011 festgehalten, dass knapp 98.000 Beschäftigte unmittelbar und weitere knapp 220.000 bei Zulieferern und Dienstleistern diese Industrie schaffen. Wissenschaft und Forschung machen darunter ungefähr zehn Prozent aus. (Nachweis.)  Für Bewerber scheint ein günstiges Klima zu herrschen: Alle Unternehmensseiten, die ich besuchte, hatten aktuelle offene Ausschreibungen. Auf die Seiten und Stellenbörsen der Unternehmen kam ich über den Bundesverband für Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
Suchen sie etwa auch nach GeisteswissenschaftlerInnen? Sie werden nicht überrascht sein, wenn in erster Linie Ingenieure, Informatiker und Physiker und in zweiter Linie Betriebswirtschaftler gesucht werden. Dann finden sich Ausschreibungen für Juristen. Konkrete Ausschreibungen für „Germanist“, „Historiker“ oder „Philosophin“ gab es wie stets nicht. Doch ein Surfen durch die Teams und durch die sozialen Netzwerke ergab schnell: Geisteswissenschaftler arbeiten auch in der Rüstungsindustrie, naheliegend etwa in der PR, doch auch im Sales Management. Sogar Werkstudentinnen aus diversen Philologien fanden sich, die entweder aufgrund ihrer Sprachkompetenz eingesetzt wurden, etwa in international ausgerichteten Abteilungen zur Kommunikation und Übersetzung, oder aufgrund von Erfahrungen in Nebenjobs, in denen sie z. B. erste Erfahrungen im Projektmanagement sammelten.
Was wir oft einfach „Rüstungsindustrie“ nennen, ist hochgradig diversifiziert und spezialisiert. Jenseits der Produktion von Panzern, Schusswaffen, U-Booten („Historikerin, die spielen doch heute k eine Rolle mehr“, schallt‘s von hinten aus dem Büro) und Flugzeugen bekommen Kommunikationstechnologie und Analysesoftware einen immer höheren Stellenwert – und damit eine gewisse Nähe zu unseren Kernkompetenzen. Ähnliches gilt für die Kryptografie, die, bei aller Technik, immer auch linguistische Facetten hat. Materialorientierte sind wiederum Bereiche wie Überwachungstechnologie, Rettungsfahrzeuge und Körperschutz, Geräte zur Schadensminimierung oder Alarmsysteme. Darüber hinaus haben diese Unternehmen eine Organisationsstruktur wie andere Unternehmen auch, was für uns bedeutet, dass Stellen in der Öffentlichkeitsarbeit, im Marketing, vielleicht im internen Weiterbildungsbereich bestehen, auf die wie stets auch Geisteswissenschaftler passen können. Sogar Fachwissen aus der Volkskunde, Ethnologie, Religionswissenschaft kann bei einigen international tätigen Firmen gefragt sein.
Falls Sie es also gut aushalten können, moralisch für die Wahl Ihres Arbeitsplatzes angegangen zu werden, können Sie

  1. Eine Initiativbewerbungen mit Hinweis auf sinnvolle Einsatzgebiete absenden,
  2. Sich in affinen Bereichen weiterbilden und Erfahrungen sammeln – PR, Projektmanagement – und dann mit flexibleren Gedanken gegen die Kandidatur von Betriebswirtschaftlern antreten,
  3. sich für Trainee-Programme bewerben, z. B. als Initiativ-Trainee bei der thyssenkrupp Steel Europe. Für diese Stelle ist jedweder Hochschulabschluss hinreichend.

Weitere Informationen:
Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV): www.bdsv.eu
Bundesministerium der Verteidigung (BMVg): www.bmvg.de
Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw): www.baain.de
Auswärtiges Amt (AA): www.auswaertiges-amt.de
European Defence Agency (EDA): www.eda.europa.eu/
North Atlantic Treaty Organisation (NATO): www.nato.int
 
 
 

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